Rebecca
Problem hat wohl noch niemand lösen können. Weißt du, daß du eben gar nicht wie du selbst aussahst? Du hattest einen ganz fremden Gesichtsausdruck.»
«Wirklich? Was denn für einen?»
«Das ist schwer zu erklären. Du sahst plötzlich irgendwie älter und verschlagen aus, richtig unangenehm.»
«Das wollte ich nicht.»
«Das glaube ich dir gern.»
Ich trank etwas Wasser und sah ihn über mein Glas hinweg an. «Willst du denn nicht, daß ich älter aussehe?» fragte ich ihn.
«Nein.»
«Warum nicht?»
«Es würde dir nicht stehen.»
«Eines Tages werde ich aber doch älter aussehen, das läßt sich ja nicht ändern. Ich werde graue Haare haben und Falten und lauter solche Sachen.»
«Dagegen habe ich auch nichts.»
«Wogegen hast du denn etwas?»
«Ich will nur nicht, daß du so aussiehst wie eben. Dein Mund war verzerrt, und in deinen Augen lag so etwas Wissendes. Aber es war kein gutes Wissen.»
Ich fühlte eine merkwürdige neugierige Erregung. «Was willst du damit sagen, Maxim? Was meinst du mit kein gutes Wissen?»
Er antwortete zunächst nicht, weil Frith wieder ins Zimmer kam, um die Teller auszuwechseln. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte Maxim langsam: «Als ich dich kennenlernte, hattest du einen bestimmten Gesichtsausdruck, den du auch jetzt noch hast. Ich werde ihn dir nicht beschreiben, denn ich könnte es doch nicht. Jedenfalls war das einer der Gründe, warum ich dich heiratete; und eben, als du in diesen sonderbaren Trancezustand verfielst, da war dieser Ausdruck verschwunden, und etwas anderes war an seine Stelle getreten.»
«Was, Maxim? Was war an seine Stelle getreten?» fragte ich eifrig.
Er pfiff leise vor sich hin, während er mich mit hochgezogenen Augenbrauen nachdenklich ansah. «Hör zu, meine Liebste, als du ein kleines Mädchen warst, war es dir da nicht verboten, gewisse Bücher zu lesen, die dein Vater wohlverwahrt hinter Schloß und Riegel hielt?»
«Doch, ja», sagte ich.
«Siehst du. Und ein Ehemann ist nun einmal in mancher Beziehung nicht viel anders als ein Vater. Ich halte es für dich am besten, wenn du von gewissen Dingen nicht viel weißt. Und die halte ich dann auch unter Schloß und Riegel. So, das wäre das, und jetzt iß deinen Pfirsich auf, und wenn du nicht mit dem Fragen aufhörst, wirst du in die Ecke gestellt.»
«Wenn du mich nur nicht immer wie ein sechsjähriges Kind behandeln würdest», sagte ich.
«Wie möchtest du denn behandelt sein?»
«So, wie andere Männer ihre Frauen behandeln.»
«Also dich gelegentlich mal prügeln, meinst du, ja?»
«Jetzt bist du dumm. Warum mußt du immer alles ins Lächerliche ziehen?»
«Ich scherze durchaus nicht, ich meine es völlig ernst.»
«Das glaube ich dir nicht; ich sehe es ja deinen Augen an, daß du nur deinen Scherz mit mir machst, als ob ich ein dummes kleines Mädchen wäre.»
«Ja, Alice im Wunderland. Das war eine gute Idee von mir. Hast du dir schon die Schärpe und die Haarschleife besorgt?»
«Sei nicht so übermütig. Du wirst dich noch wundern, wenn du mich in meinem Kostüm zu sehen bekommst.»
«Davon bin ich überzeugt. Also iß schon deinen Pfirsich und sprich nicht mit vollem Mund.
Ich habe noch eine Menge Briefe zu schreiben.» Er wartete nicht, bis ich fertig war, sondern stand auf, ging im Zimmer auf und ab und bat Frith, den Kaffee in die Bibliothek zu bringen.
Ich blieb sitzen und aß trotzig so langsam wie ich konnte, in der Hoffnung, den Kaffee zu verzögern und Maxim dadurch ein wenig zu ärgern; aber Frith schenkte mir und meinem Pfirsich gar keine Beachtung; er brachte den Kaffee sofort, und Maxim ging allein in die Bibliothek hinüber.
Als ich fertig war, ging ich nach oben auf die Galerie, um mir die Bilder noch einmal anzusehen. Ich kannte natürlich alle gut, aber ich hatte sie noch nie von dem Gesichtspunkt aus betrachtet, daß sie mir eine Anregung für mein Kostüm geben könnten. Ich hatte die Dame in Weiß mit dem Hut in der Hand schon von Anfang an den anderen Bildern
vorgezogen. Es war ein Raeburn und stellte Caroline de Winter dar, eine Schwester von Maxims Ur-großvater. Sie heiratete einen berühmten Staatsmann und galt zu ihrer Zeit als Londoner Schönheit; aber dieses Bild war schon gemalt worden, als sie noch ein junges Mädchen war. Es konnte nicht schwer sein, dieses weiße Kleid mit seinen Puffärmeln, dem Fichu und dem engen Leibchen nachzumachen. Der Hut dagegen würde wohl einige
Schwierigkeiten bereiten; und ich
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