Rebecca
serviert, ein feierliches kleines Schauspiel, das Frith und der junge Diener zum besten gaben und in dem meine Rolle erst nach ihrem Abgang begann. Und während Maxim den großen Stapel Briefe überflog, spielte ich mit dem gebutterten Toast, zerkrümelte ein Stück Kuchen und trank den glühheißen Tee.
Hin und wieder sah er hoch und lächelte mich an, dann vertiefte er sich wieder in seine Briefe, die sich wohl während der letzten Monate so angehäuft hatten, und ich dachte, wie wenig ich doch von seinem Leben hier auf Manderley wußte, wie es verlief, Tag für Tag.
Diese letzten Wochen waren so schnell vergangen, und während ich an seiner Seite durch Frankreich und Italien gefahren war, hatte ich für nichts anderes Gedanken gehabt als für meine Liebe zu ihm, hatte ich Venedig mit seinen Augen gesehen, seine Worte
nachgesprochen, keine Frage an die Vergangenheit und an die Zukunft gestellt und mich mit dem bißchen Glanz der Gegenwart zufriedengegeben.
Er war viel heiterer, als ich vermutet, viel zärtlicher, als ich mir hatte träumen lassen, so jung und begeisterungsfähig auf eine mich immer von neuem bezaubernde Art, nicht der Maxim, den ich an seinem Tisch im Speisesaal kennengelernt hatte, in sein geheimes Ich verhüllt, vor sich hinstarrend. Mein Maxim lachte und sang, warf Steine ins Wasser, hielt meine Hand, hatte keine Falten auf der Stirn und schien von keiner Last mehr bedrückt. Er war mein Geliebter, mein Freund, und während jener Wochen hatte ich vergessen, daß er sonst ein planmäßig geordnetes Leben führte, ein Leben, das wieder aufgenommen und fortgesetzt werden mußte und das aus den vergangenen Wochen nur einen kurzen, immer weiter zurückliegenden Urlaub machte.
Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück, blickte im Zimmer umher und versuchte etwas Selbstvertrauen zu gewinnen und die Tatsache, daß ich hier auf Manderley war, in mein Bewußtsein dringen zu lassen, in dem Manderley von der Ansichtskarte, dem berühmten Manderley.
Ich mußte mir selbst beibringen, daß dies alles mir gehörte, mir so gut wie ihm: der steife Sessel, auf dem ich saß, die unzähligen Bücher, die sich bis zur Decke reihten, die Bilder an den Wänden, der Garten, der Wald, das Manderley, von dem ich gelesen hatte – all das gehörte jetzt mir, weil ich Maxim geheiratet hatte.
Wir würden hier zusammen alt werden, wir würden als alte Leute genauso wie heute hier bei unserem Tee sitzen, Maxim und ich, nur mit anderen Hunden, den Nachkommen der jetzigen; und in der Bibliothek würde derselbe merkwürdige dumpfige Geruch herrschen wie jetzt.
Dieser Raum würde eine Zeit herrlicher Unordnung und Verwahrlosung kennenlernen, wenn die Knaben – unsere Söhne – jung waren; ich sah sie sich schon mit schmutzigen Stiefeln auf dem Sofa herumbalgen und Angelgerät, Kricketschläger, große Taschenmesser und Bogen und Pfeile hereinschleppen.
Auf dem Tisch dort, jetzt leer und blank poliert, würde ein unschöner Glaskasten stehen, in dem Schmetterlinge und Motten aufgespannt waren, und ein zweiter mit aus-geblasenen Vogeleiern. «Nicht den ganzen Kram hier herein!» würde ich ermahnen, «tragt die Sachen in euer Schulzimmer, ihr Schlingel», und sie würden tobend und johlend hinausstürmen bis auf den Jüngsten, der stiller war als die anderen und gern für sich spielte.
Mein Zukunftsbild verflog, als die Tür sich öffnete und Frith und der Diener hereinkamen, um den Tisch abzuräumen. «Mrs. Danvers läßt fragen, Madam, ob sie Ihnen jetzt vielleicht Ihr Zimmer zeigen dürfte», sagte Frith zu mir, als der Diener mit dem Geschirr hinausgegangen war.
Maxim sah von seinen Briefen auf. «Wie macht sich denn der Ostflügel jetzt?» fragte er.
«Sehr gut, finde ich, Sir; die Handwerker haben natürlich bei ihrer Arbeit eine Menge Schmutz gemacht, und Mrs. Danvers fürchtete schon, sie würden bis zu Ihrer Rückkehr nicht fertig werden. Aber letzten Montag war es dann doch soweit. Ich möchte eigentlich annehmen, daß Sie sich dort sehr wohl fühlen werden, Sir. Die Räume sind an der Ostseite ja viel heller.»
«Hast du etwas umbauen lassen?» erkundigte ich mich.
«Oh, nicht eigentlich», sagte Maxim kurz. «Ich habe nur die Zimmer im Ostflügel neu tapezieren und streichen lassen, weil ich dachte, wir würden am besten dort wohnen.
Wie Frith sagte, es ist auf der Seite des Hauses sehr viel freundlicher, und man hat von den Zimmern aus einen herrlichen Blick auf den Rosengarten. Als meine Mutter noch
Weitere Kostenlose Bücher