Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
mehr hingewagt.«
»Und die Polizei kann rein gar nichts tun«, sagte die Mutter mit freudlosem Lachen.
»Er behandelt die Jungen nicht schlecht, das ist es nicht. Aber manchmal, wenn er getrunken hat…ja, dann kommt er hier die Treppe hoch und brüllt und schreit mich an…Hure und alles Mögliche…tritt gegen die Tür. Und da ist es doch besser, hier zu wohnen, wo ich Nachbarn und kein Fenster im Erdgeschoss habe. Aber ehe ich diese Wohnung gefunden hatte und mit den Jungen allein wohnen musste, habe ich bei Mildred gewohnt. Aber das hat ihr eingeschlagene Fenster eingebracht und er…und zerschnittene Autoreifen…und dann hat eben ihr Schuppen gebrannt.«
»Und das war Magnus?«
Anki Lindmark starrte die Tischplatte an. Ihre Mutter beugte sich zu Anna-Maria vor.
»Die Einzigen, die nicht glauben, dass er es war, sind verdammt noch mal Ihre Kollegen«, sagte sie.
Anna-Maria verzichtete darauf, die Unterschiede zwischen glauben und beweisen können zu erklären. Sie nickte nur nachdenklich.
»Ich hoffe nur, dass er eine Neue findet«, sagte Anki Lindmark. »Und am besten mit ihr ein Kind bekommt. Aber die Sache ist ja doch besser geworden, seit Lars-Gunnar mit ihm gesprochen hat.«
»Lars-Gunnar Vinsa«, sagte die Mutter. »Der ist bei der Polizei oder war es, jetzt ist er in Rente. Und er leitet diesen Jagdverein. Er hat mit Magnus gesprochen. Und wenn Magnus eins nicht will, dann, seinen Platz in der Jagdgesellschaft verlieren.«
Lars-Gunnar Vinsa, Anna-Maria wusste durchaus, wer das war. Aber sie hatte erst ein Jahr in Kiruna gearbeitet, als er in Pension gegangen war, und sie waren niemals zusammen im Einsatz gewesen. Also konnte sie nicht behaupten, ihn zu kennen. Er hatte einen entwicklungsgestörten Sohn, das fiel ihr jetzt ein. Sie wusste auch noch, woher sie das wusste. Lars-Gunnar und ein Kollege hatten in einer Gaststätte eine Heroinsüchtige aufgegriffen. Lars-Gunnar hatte sie gefragt, ob sie Spritzen in der Tasche habe. Nein, zum Teufel, die lägen bei ihr zu Hause. Also hatte Lars-Gunnar die Hand in ihre Tasche geschoben und sich an einer Spritze gestochen. Die Frau war mit einer Oberlippe auf der Wache erschienen, die so dick wie ein geplatzter Fußball gewesen war, und das Blut war ihr nur so aus der Nase geströmt. Der Kollege hatte Lars-Gunnar an einer Selbstanzeige gehindert, das hatte Anna-Maria gehört. Das war 1990 gewesen. Damals dauerte es sechs Monate, ein verlässliches Ergebnis für einen HIV -Test zu erhalten. In der folgenden Zeit war oft die Rede von Lars-Gunnar und seinem sechsjährigen Sohn gewesen. Die Mutter hatte ihr Kind im Stich gelassen, und Lars-Gunnar war der Einzige, den er hatte.
»Lars-Gunnar hat nach dem Brand also mit Magnus gesprochen?«, fragte Anna-Maria.
»Nein, das war nach der Sache mit der Katze.«
Anna-Maria wartete schweigend.
»Ich hatte eine Katze«, sagte Anki und räusperte sich, als ob sie husten müsste. »Als ich ausgezogen bin, wollte ich sie rufen, aber sie hatte sich schon seit einer Weile nicht mehr sehen lassen. Ich dachte, ich könnte sie ja später noch abholen. Ich war so nervös. Ich wollte Magnus nicht sehen. Er rief immer wieder an. Auch bei Mama. Manchmal mitten in der Nacht. Jedenfalls rief er mich bei der Arbeit an und sagte, er habe eine Tüte mit Sachen von mir an meine Wohnungstür gehängt.«
Sie verstummte.
Die Mutter blies Anna-Maria eine Rauchwolke ins Gesicht. Die Wolke teilte sich zu dünnen Schleiern.
»Und in der Tüte lag die Katze«, sagte sie, als ihre Tochter weiterhin schwieg. »Mit ihren Jungen. Fünf Stück. Allen fehlte der Kopf. Sie waren nur noch Blut und Fell.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Was hätte sie denn wohl tun sollen?«, fragte die Mutter. »Ihr könnt ja nichts machen. Das hat sogar Lars-Gunnar gesagt. Wenn man zur Polizei geht, muss ein Verbrechen vorliegen. Es hätte ja Tierquälerei sein können, wenn sie gelitten hätten. Aber da er ihnen die Köpfe abgehauen hatte, hatten sie sicher nicht nennenswert leiden müssen. Es wäre Schadensersatz fällig geworden, wenn sie irgendeinen finanziellen Wert gehabt hätten, wie Rassekatzen oder ein teurer Jagdhund. Aber das waren ja nur Hauskatzen.«
»Ja«, sagte Anki Lindmark. »Aber ich glaube doch nicht, dass er einen Mord…«
»Aber danach?«, fragte die Mutter. »Als du hergezogen warst? Weißt du nicht mehr, wie das mit Peter war?«
Die Mutter drückte ihre Zigarette aus und nahm sich gleich eine neue.
»Peter wohnt in Poikkijärvi. Er
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