Rebellen der Ewigkeit
kaum in der Lage war, das zu beurteilen. Der große Raum war an den Wänden mit glänzendem Holz verkleidet. Blütenweiße Decken glänzten auf den Tischen. Jeder Platz war eingedeckt. Auf den Tellern waren die Servietten zu kunstvollen Gebilden gefaltet. Sie fragte sich, warum rechts und links davon jeweils mehrere Messer und Gabeln lagen und weshalb an jedem Platz gleich zwei Gläser standen. Vielleicht würde sie das ja später noch herausbekommen.
Außerdem war es still. Obwohl außer ihnen noch ein halbes Dutzend weiterer Tische besetzt war, hörte man kein Stimmengewirr. Alle unterhielten sich leise, fast flüsternd. Auch von der Bar war nur gelegentlich das Klingen eines Glases zu vernehmen, das auf ein Tablett gestellt wurde. Valerie half manchmal in einer Baguetterie aus, die der Mutter einer Freundin gehörte. Dort tönte im Hintergrund pausenlos das Radio, die Kunden begrüßten sich lautstark und aus der Küche war ein ständiges Klappern und Klirren zu hören. Hier hingegen herrschte eine Ruhe wie bei einer Theateraufführung. Es ist eine Theateraufführung , schoss es ihr durch den Kopf. Hier spielen die Reichen heile Welt, und sie müssen leise sein, damit niemand auf sie aufmerksam wird.
Der Gedanke beruhigte sie ein wenig. Ihre anfängliche Ehrfurcht machte einem gewissen Trotz Platz, einem innerlichen Aufbegehren gegen diese Charade. Übertrieben heftig klappte sie die Speisekarte auf. Die Seiten waren nur spärlich handschriftlich beschrieben und die Namen der Gerichte sagten ihr nichts. Sie konnte zwar das eine oder andere Wort entziffern, aber das meiste war in Französisch verfasst. Sie sah auf. Willis ging es offenbar ebenso wie ihr. Er blickte sie fragend an.
Karelia schien keine Probleme zu haben. Sie blätterte die wenigen Seiten durch und klappte die Karte dann entschieden zu.
»Habt ihr gewählt?«
»Ähmm ...«, räusperte sich Willis. Karelia runzelte die Stirn, blickte dann zu Valerie hinüber, bemerkte deren Gesichtsausdruck und lächelte.
»Es ist keine Schande, wenn man das nicht versteht. Ich bin schon einige Male hier gewesen, deshalb weiß ich, was sich hinter den Beschreibungen verbirgt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das Ambiente ist auch nicht unbedingt meine Sache, aber das Essen ist wirklich gut. Und man hat seine Ruhe. Soll ich für euch mitbestellen?«
Valerie und Willis nickten gleichzeitig. Karelia hob eine Hand, und im Nu tauchten die zwei Kellner wieder neben dem Tisch auf. Sie hatte die Bestellung kaum ausgesprochen, als einer der Männer begann, Gläser und Besteck von ihren Plätzen abzuräumen. Willis’ Hand schoss vor und packte den Kellner am Arm, als der gerade einen Löffel aufnehmen wollte. Einen Augenblick starrten die beiden sich wortlos an. Dann sagte Karelia: »Ist schon gut«, und Willis löste seinen Griff. Der Mann setzte seine Arbeit fort, als sei nichts geschehen.
»Ihr seid zum ersten Mal in einem Restaurant wie diesem, stimmt’s?«, fragte Karelia. »Ich vergesse leicht, wie befremdlich das auf jemanden wirken kann, der noch nie hier war.«
»Ein Imbiss hätte es auch getan«, murmelte Willis.
Karelia lachte. »Da hättet ihr euch bestimmt wohler gefühlt, ich weiß. Aber ich wollte euch zur Feier des Tages mal etwas Außergewöhnliches bieten. Ich leiste mir das hier auch nur, wenn ich einen richtigen Erfolg gehabt habe, und das kommt selten genug vor.«
»Was gibt’s denn zu feiern?«, fragte Valerie.
»Nun, zum einen, dass dank der Unterlagen, die Willis mir noch rechtzeitig gebracht hat, der Prozess gegen einen korrupten Beamten gewonnen wurde. Und zum anderen habe ich heute Morgen einen Auftrag erhalten, der mit einem saftigen Vorschuss verbunden ist.«
»Aha.« Willis legte die Stirn in Falten. »Sind Sie eine Privatdetektivin oder so was?«
»Genau. Ich habe eine Reihe privater Kunden, arbeite aber auch viel für die Staatsanwaltschaft.«
»Dann muss es ja heute um viel Geld gegangen sein, wenn man sogar zwei Killer losschickt.«
»Nicht nur um Geld. Die Verflechtungen scheinen bis in höchste Regierungskreise zu reichen. Wir haben lediglich die Spitze des Eisbergs freigelegt. Einen korrupten Beamten haben wir aus dem Verkehr gezogen, aber es gibt noch jede Menge andere.«
Sie stockte, denn einer der Kellner stellte einen Korb mit Weißbrot und drei Schälchen mit unterschiedlich gefärbten Flüssigkeiten auf den Tisch. »Olivenöle«, erklärte Karelia. Sie riss ein Stück von einer Brotscheibe ab, tunkte es in eine der
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