Rebellen der Ewigkeit
brach.
»Jetzt wissen wir über Willis jede Menge, aber über dich noch fast gar nichts«, sagte sie zu Valerie gewandt.
Valerie errötete. »Ach, da gibt es auch nicht viel zu erzählen.«
»Das glaube ich nicht.« Karelia lächelte ihr aufmunternd zu. »Lebst du denn noch zu Hause?«
Valerie nickte. »Ich wohne mit meiner Mutter zusammen.«
»Und dein Vater?«
»Da geht es mir wie Willis. Ich habe ihn nie gesehen. Als er erfahren hat, dass meine Mutter mit mir schwanger ist, hat er ihr ein Geldbündel in die Hand gedrückt und sie aufgefordert, mich abtreiben zu lassen. Danach ist er verschwunden und nie wieder aufgetaucht.«
»Und deine Mutter hat nicht versucht, ihn zu finden?«, fragte Willis.
Valerie schüttelte den Kopf.
»Und du?«
»Was soll ich schon machen? Ich weiß ja nicht einmal seinen Namen.« Sie zupfte nervös an ihrem Ohrläppchen.
»Den könnte man sicher rauskriegen«, sagte Karelia. »So was gehört zu meinem täglichen Job.«
Valerie runzelte die Stirn. »Nein, ich glaube, das will ich nicht. Was hätte ich schon davon?«
»Du könntest ihm ordentlich deine Meinung sagen«, grinste Willis.
»Da ist nichts zu sagen. Ich bin nicht wütend auf ihn. Er interessiert mich einfach nicht.«
Der Kellner servierte die Espressi. Willis griff zum Zuckerstreuer und füllte seine Tasse zur Hälfte damit auf.
»Der Zucker gibt die Energie«, erklärte er, als er Valeries und Karelias Blicke bemerkte, und warf dem Kellner, der ihn missbilligend beobachtete, einen finsteren Blick zu.
»Und, gehst du noch zur Schule?«, nahm Karelia den Gesprächsfaden wieder auf.
»Nein, ich habe nach dem zehnten Schuljahr aufgehört. Wir konnten uns die Oberstufe nicht leisten.«
»Ich war auch froh, als ich endlich raus war aus der Schule«, sagte Willis, der intensiv in seinem Espresso rührte.
»Das verstehe ich nicht.« Valerie schüttelte den Kopf. »Es gibt doch nichts Schöneres, als neue Dinge zu lernen.«
»Das tue ich jetzt auch«, erwiderte Willis. »Aber es ist praktisches Wissen, keine Theorie.«
»Ohne Theorie nützt dir die ganze Praxis nichts. Oder würdest du dich von einem Arzt behandeln lassen, der nicht weiß, wo die Leber und wo die Niere liegt?«
»Natürlich nicht.«
»Na siehst du. Ich wäre gern weiter hingegangen, aber dann ist meine Mutter krank geworden und es fehlte einfach das Geld. Deshalb bin ich auch bei Tempus Fugit gewesen.«
»Du hast Lebenszeit verkauft?« Karelia war ebenso erstaunt wie Willis, als er das erfahren hatte.
»Meine Mutter braucht eine teure Behandlung, und die Krankenversicherung will die Kosten nicht übernehmen. Und das bisschen Geld, das ich verdiene, reicht nicht.«
»Niemand sollte früher sterben müssen, nur weil ein anderer, der genug Geld hat, gern ein paar Jahre länger leben will«, sagte Willis mit einer Vehemenz, die ihn selbst überraschte.
Valerie runzelte die Stirn. »In einer perfekten Welt vielleicht. Aber unsere Gesellschaft funktioniert leider nicht so. Der Zeitverkauf gibt mir wenigstens die Möglichkeit, an so eine große Summe zu kommen.«
»Trotzdem ist es nicht richtig«, widersprach Willis. »Letztlich nutzt Tempus Fugit die Notlage von Menschen aus und verdient damit Geld.«
»Da sind sie nicht die Einzigen«, bemerkte Karelia. »Doch wir müssen uns nun mal an die Gegebenheiten anpassen.«
»Müssen wir das wirklich?«, fragte Willis.
»Wenn wir in dieser Gesellschaft überleben wollen, dann schon.«
»Ich weiß nicht … Wie sollen sich die Verhältnisse ändern, wenn wir nicht etwas dagegen unternehmen?«
Karelia seufzte. »Du hast ja recht. Aber das hilft Valerie jetzt auch nicht weiter.«
Alle konzentrierten sich einen Moment auf die Tassen vor sich. »Wie funktioniert das eigentlich mit dem Zeitverkauf?«, wechselte Willis das Thema. »Gibt es da eine Maschine, die dir deine Lebensjahre aus dem Körper zieht und einem anderen injiziert? Oder wie muss man sich das vorstellen?«
»Genau verstanden habe ich das auch nicht«, erwiderte Valerie. »Aber man hat mir erklärt, dass es ohne körperlichen Eingriff abläuft. Ich werde wohl in eine Röhre geschoben, in der sie mir auf irgendeine Art und Weise die Lebensjahre, die ich verkaufe, abziehen. Anschließend wird diese Zeit in einer sogenannten Zeitbatterie gespeichert.«
Dieses letzte Wort riss Karelia aus ihren Gedanken.
»Apropos Zeitbatterien – ich habe euch doch erzählt, dass ich heute Morgen einen hohen Vorschuss bekommen habe. Was meint ihr, von wem
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