Rebellen der Ewigkeit
malte ein paar Kreise an die Tafel.
»Ihr wisst vielleicht noch aus der Schule, dass alles in unserer Welt aus Atomen besteht. Und ein typisches Atom setzt sich zusammen aus einem Atomkern und aus Elektronen, die den Kern umkreisen – so wie die Planeten die Sonne. Deshalb haben die Wissenschaftler, die als erste die Atome entdeckt und erforscht haben, auch immer angenommen, dass in der Welt der kleinsten Teilchen dieselben physikalischen Gesetze gelten wie in unserer normalen Welt. Aber sie haben sich geirrt.«
Amanda malte eine weitere Grafik auf.
»In Wirklichkeit sieht die Welt der kleinsten Teilchen, die von den Wissenschaftlern auch Quanten genannt werden, völlig anders aus als unsere. Solange wir Menschen das Atom nicht beobachten, befindet sich das Elektron nicht an einer festen Position, sondern überall – und zwar gleichzeitig. Wie eine Wolke, die den Atomkern umgibt.«
»Das geht doch gar nicht«, unterbrach sie Valerie. »Wie kann ein Ding zur gleichen Zeit an mehreren Orten sein?«
»Du hast recht. In unserer Alltagswelt ist das unvorstellbar. Aber in der Quantenwelt gibt es keine Gewissheiten, sondern nur Möglichkeiten. In diesem Fall die Möglichkeit, dass das Elektron jede beliebige Position einnehmen kann. Zumindest so lange, bis wir Menschen es beobachten. Denn durch die Beobachtung wird eine der vielen Positionsmöglichkeiten zur Tatsache und die anderen verschwinden.«
»Häh?« Willis kratzte sich am Kopf. »Heißt das, durch die Beobachtung alleine verändert sich das, was wir beobachten?«
Amanda nickte. »Das stimmt. Vorher haben die Wissenschaftler immer angenommen, dass Beobachter und Beobachtetes zwei getrennte Systeme sind. Heute wissen wir dank der Quantenphysik, dass sich beide gegenseitig beeinflussen.«
»Das kann ich ja vielleicht noch verstehen«, sagte Valerie. »Aber das mit den vielen Möglichkeiten gleichzeitig …«
»Keine Sorge. Wirklich verstehen können das auch die Wissenschaftler nicht. Wahrscheinlich kann es kein Mensch, weil wir in einer Welt leben, die ganz anderen Gesetzen gehorcht – obwohl ihre Grundlage die Quantenwelt ist. Aber jetzt kommt erst der richtig interessante Teil.«
Amanda nahm den Eimer aus der Ecke des Raums und stellte ihn umgedreht auf den Tisch.
»Ihr wisst doch, welche Zustände Wasser annehmen kann, oder?«
»Klar!«, rief Willis. »Es kann flüssig sein, es kann fest sein, also zu Eis gefroren, und es kann gasförmig sein, wenn man es erhitzt und es dann verdampft.«
»Sehr gut. Und jetzt stellt euch einmal vor, dieser Eimer befände sich in der Quantenwelt. Ihr wisst, dass sich darin Wasser befindet – aber ihr wisst nicht, in welcher Form. In der Quantenwelt ist das Wasser im Eimer gleichzeitig flüssig, fest und gasförmig.« Sie hob den Eimer hoch. »Erst wenn ich den Eimer anhebe, legt sich das Wasser auf eine der drei Möglichkeiten fest, und es kommt Eis, Wasserdampf oder einfach nur Wasser zum Vorschein.«
»Und was ist mit den anderen beiden Möglichkeiten?«, fragte Valerie. »Verschwinden die einfach?«
Amanda schüttelte den Kopf. »Die sind genauso real wie das, was wir zu sehen bekommen. Nur jede in einem anderen Universum.«
»Moment mal.« Willis nahm ihr den Eimer aus den Händen und stellte ihn wieder auf den Tisch. »Willst du damit sagen, dass unter dem Eimer drei Universen gleichzeitig sind?«
»Genauso ist es.« Amanda griff zur Kreide und zeichnete eine Reihe von Linien an die Tafel.
»Wir wissen heute, dass es unendlich viele Universen gibt, die alle gleichzeitig existieren. In einem Universum, nämlich in diesem, habe ich gerade ein Stück Kreide in der Hand. In einem anderen Universum liege ich gerade am Strand und sonne mich. In einem dritten Universum bin ich Mutter von fünf Kindern und Hausfrau. Jedes Mal, wenn wir uns zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden, wechseln wir in ein anderes Universum, in dem es nur die Möglichkeit gibt, für die wir uns entschieden haben. Aber die anderen Universen , in denen wir uns für eine andere Möglichkeit entscheiden, existieren auch und entwickeln sich weiter. Das ist so, als wenn ihr in der Eisdiele steht und euch für ein Eis entscheiden müsst. In einem Universum nehmt ihr Zitrone, im nächsten Aprikose, im dritten Stracciatella und immer so weiter.«
»Das würde ja bedeuten, es gäbe unendlich viele Valeries«, rief Valerie. »Und unendlich viele Amandas.«
»Unendlich nicht gerade«, erwiderte Amanda. »Denn die Zahl der Entscheidungen,
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