Rebellin der Leidenschaft
dass Aquarelle malen, wenn man kein Talent hatte, und singen, wenn man über keine Stimme verfügte, nichts mehr war als ein dummer und nutzloser Zeitvertreib. Mit umso mehr Stolz erfüllten ihn ihre ungewöhnlichen Leistungen und ihr Intellekt.
Aber nun kümmerte es ihn plötzlich nicht mehr, wie es ihr ging. Trotz ihres vehementen Protests wollte er sie unbedingt verheiraten. Er traf eine Entscheidung für sie, die ihr ganzes Leben vollkommen veränderte, obwohl sie sich dagegen sträubte. Er war nicht mehr ihr treuester Verbündeter und ihr bester Freund. Er war gegen sie. Hadrian war zwischen sie getreten -Hadrian war der Schuldige!
Die Gedanken an den Herzog und das, was er getan hatte, brachten sie in Rage.
Nicole kochte vor Wut. Wie konnte er es wagen, in ihr Leben einzugreifen! Und wie konnte er es wagen, die Beziehung zu ihrem Vater zu ruinieren!
Es klopfte an ihrer Tür. An der vorsichtigen Art und Weise erkannte Nicole, dass es ihre Mutter war, und sie zuckte zusammen. Sie bat sie nicht herein. Jane hatte für ihren Vater und damit gegen sie Partei ergriffen, das konnte sie ihr nicht vergeben.
Jane trat dennoch ein. Nicole wandte ihr brüsk den Rücken zu. »Sei nicht zornig auf mich oder deinen Vater«, sagte sie sanft. »Wir lieben dich doch so sehr. Wir wollen doch nur dein Bestes.«
»Wenn ihr mich wirklich lieben würdet, dann würdet ihr mich nicht zwingen, ihn zu heiraten.«
»Mit der Zeit wirst du es anders sehen und verstehen, was wir getan haben.«
»Das bezweifle ich.«
Jane zögerte, denn ihre Tochter machte keine Anstalten, sich ihr zuzuwenden. »Wir fahren zu John. Ich werde ihm sagen, dass du krank bist.«
»Wieso? Ich bin nicht krank - nur wütend!«
»Es ist besser, wenn du hier bleibst«, erwiderte Jane ruhig. »Nicholas sagte, auf Johns Gästeliste sei auch der Herzog. Ich bezweifle zwar, dass er da sein wird, aber falls er doch käme, wäre es wohl besser, wenn ihr euch nicht sehen würdet, so lange sich deine Stimmung nicht gebessert hat.«
Er war die letzte Person, die Nicole gerne getroffen hätte. »Dem stimme ich aus vollem Herzen zu«, knirschte sie.
Ihre Mutter verließ das Zimmer. Einige Augenblicke später trat Nicole ans Fenster und sah die Dragmore-Kutsche die Auffahrt hinunter zur Straße rollen. Ihr Blick verfolgte sie.
Die erste Person, die Nicole zu sehen bekam, als sie den roten Salon in John Lindleys Haus betrat, war der Herzog von Clayborough. Die zweite war Stacy Worthington.
Sie hatte sich doch dafür entschieden zu kommen. Warum sollte sie in ihrem Zimmer sitzen und schmollen? Vielleicht würde er dann denken, sie versuche, ihn zu meiden. Aber er war der Letzte, den sie meiden würde. Nein - sie hatte sogar einiges auf dem Herzen, was sie ihm nur zu gerne mitteilen wollte.
Mit diesem Szenario hatte sie allerdings nicht gerechnet.
Sie nahm sich einen Sherry von einem Tablett, das ein Diener herumreichte, und trank rasch. Ihr Herz flatterte. Stacy Worthington flirtete mit Hadrian. Nicole konnte den Blick nicht von den beiden abwenden.
Jedes Mal, wenn er etwas sagte, lachte sie. Sie schmiegte sich an seine Seite und sah mit Entzücken im Blick zu ihm auf. Sie schien seine wenigen Worte zu verschlingen. Sie hängte sich an ihn.
Nicht, dass Nicole das etwas ausgemacht hätte. Es machte ihr absolut nichts aus. Es machte ihr nichts aus, dass sie noch gestern in Hadrians Armen gelegen hatte, dass er heute um ihre Hand angehalten hatte, und dass sie angeblich verlobt waren. Wenn er sich von einer anderen Frau zum Narren halten lassen wollte - einer schlanken, wunderschönen Frau -, dann sollte ihr das recht sein. Vielleicht würde er ja sogar Stacy zu seiner Frau machen! Nichts konnte ihr gelegener kommen!
Wem machte sie etwas vor?
Nicole war völlig durcheinander, noch mehr, als sie es schon den ganzen Tag über gewesen war. Als sie bemerkte, wie sie auf die beiden starrte, leerte sie ihren Sherry auf sehr undamenhafte Art und wandte sich ab. Elend machte sich in ihrem Herzen breit.
Sie sah sich in dem gut gefüllten Salon um und wünschte, sie wäre nicht gekommen. Sie ignorierte ihre Eltern. Sie sah, wie Regina mit Martha und deren Mann lachte, freute sich, dass ihre beste Freundin da war, und lächelte ihnen quer durch den Salon zu. Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie inmitten all der angeregt plaudernden Menschen ganz allein da stand. Eine plötzliche Verlegenheit stieg in ihr auf; am liebsten hätte sie sich einer der Gruppen angeschlossen, doch
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