Rebellin der Leidenschaft
verstehen. Aber ich versuche, die Sache mit deinen Augen zu sehen. Ich sehe ein, dass es dir nicht leicht fallen konnte, eine Affäre zuzugeben. Aber ich hätte es verstanden. Und letztlich ist das Eingeständnis einer längst vergangenen und vergessenen Affäre doch unbedeutend im Vergleich dazu, dass ein Mann über die Identität seines Vaters Bescheid weiß. Wie konntest du das verkennen?«
»Ich weiß, dass es falsch war«, flüsterte Isobel.
»Aber warum dann?«, fragte Hadrian. »Warum hast du es mir nicht früher gesagt? Ich verstehe, weshalb du Hadrian Stone nicht Bescheid gesagt hast, schließlich war er nicht mehr ein Teil deines Lebens. Aber ich bin dein Sohn. Ich musste es wissen. Zu wissen, dass Francis nicht mein leiblicher Vater ist, ist für mich die größte Erleichterung.«
»Ich hatte Angst.«
»Wovor? Dass das Geheimnis bekannt wird? Das wird nie geschehen, Mutter. Ich werde deinen Ruf bestens schützen.«
»Ich hatte keine Angst wegen meines Rufs«, erklärte Isobel. Ihre Finger spielten nervös mit dem Taschentuch.
»Wovor dann? Mein Erbe ist sicher, sogar für den Fall, dass die Wahrheit ans Licht kommen sollte. Schließlich hat Großvater Jonathan dich zu seiner Erbin nach Francis bestimmt. Also bist du die rechtmäßige Erbin von Clayborough, und ich bin es nach dir. Ich habe zwar viele Cousins, die meine Eigentumsrechte gerne anfechten würden, aber das Gericht würde ihre Forderungen abweisen.«
»Ich hatte Angst, dass du mir mein Verhalten, und dass ich es dir nicht gesagt habe, nicht verzeihen würdest.«
Hadrian stutzte.
»Mutter, das ist lächerlich«, sagte er dann und schmunzelte leise in sich hinein.
»Du verzeihst mir also?«, fragte sie ungläubig.
»Mutter, ich war verärgert, aber das ist Vergangenheit. Es hat sich nichts verändert. Ein wenig kränkt es mich allerdings schon, wenn du glaubst, ich würde dich dafür verurteilen, dass du mit einem anderen Mann als Francis die Liebe gefunden hast. Es freut mich, es freut mich sogar riesig, dass du in deinem Leben wenigstens ein bisschen Glück gehabt hast. Der Herrgott weiß, dass Francis schließlich alles getan hat, um dich unglücklich zu machen.«
Isobel bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Erleichterung durchströmte sie. Sie zitterte und hätte am liebsten geweint. Sie hätte wissen müssen, dass sich ihr Sohn, ihr wunderbarer Sohn, niemals von ihr abwenden würde. Aber wie hätte sie es wissen können? Hadrian war so sittenstreng, manchmal sogar richtig prüde. Er war so auf seine Ehre erpicht. Er war der ehrenhafteste Mensch, den sie kannte. Und was sie getan hatte, war durchweg unehrenhaft gewesen, auch wenn es aus Liebe geschehen war.
Hadrian streichelte etwas ungeschickt ihre Schulter. »Weine nicht, Mutter. Das Vergangene ist vergangen. Wir haben jetzt die Zukunft vor uns.«
Isobel brachte ein dünnes Lächeln zustande.
»Ich habe einige Leute für Nachforschungen engagiert. Einer dieser Männer sollte vor zwei Wochen in Boston eingetroffen sein. Wenn mein Vater dort ist, wenn er noch lebt, dann sollte er meinen Brief inzwischen erhalten haben. Ich weiß, es ist zu optimistisch, aber ich hoffe einfach, dass schon jetzt eine Antwort über den Atlantik unterwegs ist.«
Isobel blieb stumm. Sie hätte auch wissen müssen, dass Hadrian die Suche nach seinem Vater umgehend in die Wege leiten würde.
»Wenn ich etwas höre, werde ich dich benachrichtigen.«
»Nein.« Sie schüttelte vehement den Kopf. »Nein. Ich will nichts wissen. Ich will nicht wissen, ob er tot ist oder noch lebt. Oder verheiratet ist. Nein.«
Hadrian war konsterniert.
Isobels Herz pochte. Nach all den Jahren war es einfach undenkbar, dass er lebte, Junggeselle war und sie noch immer liebte. Undenkbar. Der Schmerz, ihn zu sehen, wenn er glücklich verheiratet wäre oder nichts mehr für sie empfände, wäre unerträglich. Und auch, wenn er tot wäre.
»In Ordnung, Mutter«, sagte Hadrian leise. Um das Thema zu wechseln, fragte er sie, ob sie zum Abendessen mit ihm und seiner Frau bleiben wolle.
Isobel lächelte trotz ihrer Tränen, dachte aber daran, die Einladung auszuschlagen. Sie wusste sehr gut, dass die frisch Vermählten noch Zeit brauchten, um ihre Beziehung zu klären, auch wenn sie gerne gewusst hätte, wie die Dinge zwischen ihrem Sohn und seiner Frau standen. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, wurde die Tür aufgerissen.
Sie waren beide entsetzt, als Nicole in den Raum stürzte, keuchend und mit wildem Blick.
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