Rebellin der Leidenschaft
Seine Gattin, sagte sie, sei oben in ihren Räumen.
Hadrian war nervös wie ein Schuljunge, der zu seinem Rektor zitiert wurde. Langsamer als sonst stieg er die Treppe hinauf. Erst im Korridor wurden seine Schritte weniger zaghaft, dafür schlug sein Herz wie ein Vorschlaghammer.
Ihre Tür war offen. Er trat in ihr Wohnzimmer; aus dem Schlafzimmer waren Geräusche und Schritte zu hören. Er ging zu dieser Tür, und eine plötzliche, heftige Freude übermannte ihn. Immer, wenn er sie sah, überkam ihn diese ungestüme Freude, erkannte er jetzt. Doch als er auf der Schwelle stand, verschwand dieses Gefühl schlagartig.
Nicole hatte ihm den Rücken zugewandt. Auf dem Boden stand ein großer Koffer, fast bis oben hin mit Kleidung gefüllt. Auf ihrem Bett lagen zahllose Stapel und Haufen aus Kleidern, Unterröcken, Hemden, Schlüpfern, Schuhen, Handschuhen, Halstüchern, Handtaschen und Beuteln. Annie war über eine Seite des Betts gebeugt. Als Nicole einen weiteren Stapel Kleidung aufhob, sah Annie ihn und erstarrte. Nicole warf die Kleidungsstücke in den Koffer, dann entdeckte auch sie ihn.
Er blieb regungslos stehen. »Madame«, sagte er nur.
»Euer Gnaden.« In ihren Augen loderte heiße Wut, doch ihr Ton war mehr als höflich, er war formell und eisig kalt. Sie wandte sich abrupt wieder ab und hob den nächsten Stapel auf.
Der Herzog stellte die Schachtel sorgfältig ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Darf ich fragen, was Sie machen?« Doch er musste nicht fragen, denn es war offensichtlich. Der Schleier der Taubheit öffnete sich ein wenig, und Schmerz bohrte sich in seine Brust.
»Sehen Sie das nicht?«, gab sie zurück und ließ die Kleidung in den Koffer fallen. »Ich packe.«
»Das weiß ich. Wo wollen Sie hin?«
Sie starrte ihn an mit Augen, die funkelten wie Diamanten. Und ebenso hart waren. »Ich ziehe aus.«
Jetzt spürte er keine Taubheit. Doch da der Herzog sein Leben lang gelernt hatte, seine Reaktionen verborgen zu halten, verriet seine ebenmäßige Miene nichts. »Sie ziehen aus?«
»Ich verlasse Sie.«
»Ich verstehe.« Seine Gelassenheit drohte Risse zu bekommen. Er schritt rasch durch das Zimmer und starrte mit leerem Blick aus dem Fenster, das Gesicht von ihr abgewandt. Er hörte, wie sie weiter packte. Die Hände in den Taschen vergraben, versuchte er, die Panik in den Griff zu bekommen. Er drehte sich um. »Darf ich fragen, warum?«
»Das wagen Sie noch zu fragen!?« Es war ein Schrei. Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als sie mit drei großen Schritten auf ihn zukam und ihm eine schallende Ohrfeige gab. Die Wucht ihres Schlages ließ ihn taumeln.
Sie wich nicht zurück. Mit wildem Blick, bereit, mit ihm zu kämpfen, wartete sie. Doch er würde der Frau, die er liebte, niemals wehtun. »Das ist, glaube ich, das vierte Mal, dass Sie mich geschlagen haben.«
»Und das letzte Mal.«
Keine Worte hätten von ihrer unabänderlichen Absicht, ihrem unwiderruflichen Entschluss, besser Zeugnis ablegen können. Ihrem Entschluss, ihn zu verlassen. Die Panik war da, sie lauerte gleich unter der Oberfläche, ein schwarzer Nebel, der ihn zu ersticken, in die Tiefe zu ziehen drohte. Als sie bemerkte, dass er sich ihrer Herausforderung nicht stellte, kicherte sie fast, doch es klang sehr bitter. Hasserfüllt. Sie wandte sich abrupt von ihm ab und schlug den Koffer zu. »Annie, hol zwei Diener herauf und lass das hinuntertragen.«
Annie war sprachlos, sie rannte aus dem Zimmer. Der Herzog hatte sie gar nicht richtig wahrgenommen.
Er schürfte tief in sich nach mehr Stärke und Kraft, als er sich je abverlangt hatte, und wie durch ein Wunder fand er sie. Mit offenbarer Gleichgültigkeit trat er auf seine Frau zu. Sie wich nicht zurück, schien also noch immer zur Konfrontation mit ihm bereit zu sein. Doch er war nicht dazu bereit. Nicht jetzt. Nicht, wenn er vollkommen gefasst war. Er nahm ihr Kinn zwischen seine Finger.
»Eine Warnung, Madame«, sagte er leidenschaftslos. »Wenn Sie mich jetzt verlassen, werden Sie hier nicht mehr willkommen sein. Nie mehr. Drücke ich mich klar aus?«
Sie lachte hysterisch auf. »Ich komme nicht zurück! Nie mehr!«
Er wusste noch immer nicht weshalb, aber es war nicht mehr von Bedeutung. Denn die Farben waren jetzt alle verschwunden, und die Schwärze hatte ihn verschluckt. Aber es war vertraut, beinahe tröstlich.
»Na gut«, sagte er und ließ sie los. Sein Lächeln war eisig. »Sie sind gewarnt worden. Wohin Ihr rücksichtsloses Wesen
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