Rebellin der Leidenschaft
ihr geschah, waren seine Lippen den ihren sehr nahe. »Wirklich?«
»Lass das! Was willst du damit erreichen?«
Sie funkelten einander an. Sein Gesicht war verzerrt, sein Griff tat ihr weh. Sie wartete auf seinen Kuss, erwartete ihn, wollte ihn, fürchtete sich vor beiden - dem Kuss und Hadrian. Abrupt ließ er sie wieder los.
»Es geht darum, was du erreichen willst!«, sagte er wütend. »Wenn du London nicht verlässt, dann tue ich es.«
»Gut!«, schrie sie ihn an. »Sehr gut! So geh doch! Von dir lasse ich mir nämlich nichts befehlen, wie es deine geliebte Elizabeth gewiss tut.«
Er starrte sie an, zitternd vor Wut. Einen Moment lang befürchtete Nicole, er würde sie gleich schlagen - oder sie an sich pressen und sich ihrer gewaltsam bemächtigen. Doch dieser Moment ging vorüber, und ehe sie sich versah, eilte er bereits mit großen Schritten zurück in den Salon.
Nicole sank auf die harte Steinbank an der Ecke der Veranda. Sie zitterte heftig. Sie sah die Sterne nicht mehr, sie sah nichts mehr außer ihm. Schließlich bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen, die noch immer zitterten. Was ging hier vor? Warum, warum nur hatte sie je dem Herzog von Clayborough begegnen müssen?
9
Nicole schaffte es nicht, gegen ihre Verzagtheit anzukämpfen. Das Fensterbrett umklammernd starrte sie in die klare, helle Oktobersonne. Selbst als sie Schritte hinter sich hörte, rührte sie sich nicht, merkte aber, dass es ihre Schwester war.
»Nicole, ich werde mit ein paar Freunden im Hyde Park spazieren fahren. Charlie Ratcliffe hat ein neues Automobil. Wir haben noch Platz für dich, warum kommst du nicht mit?«
Nicole drehte sich nicht um. Sie wollte nicht, dass Regina ihr Gesicht sah und sie mit Fragen quälte. Auch wenn Regina wie ein Unschuldsengel wirkte, war sie ziemlich gerissen und kannte Nicole so gut wie niemand sonst, also auch gut genug, um zu wissen, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. »Lieber nicht. Ich werde heute Nachmittag ein wenig ausreiten«, sagte Nicole, obwohl sie eigentlich nichts dergleichen vorhatte.
Regina zögerte kurz. »Na gut, dann sehen wir uns später!«, meinte sie schließlich und hüpfte aus dem Zimmer. Nicole seufzte und begann, ziellos in dem hellgrünen Raum herumzulaufen. Das Bild des Herzogs, seine Worte, ihre Begegnung, verfolgten sie. Sie war richtig besessen davon, und dafür hasste sie ihn jetzt. Wie sehr sie ihn hasste!
Aldric tauchte auf. »Mylady, die Vicomtesse Serie möchte Sie sprechen.«
»Sie brauchen mich nicht so umständlich anzukündigen, Aldric«, sagte Martha und war auch schon im Zimmer. Nachdem sie einen kurzen Blick auf ihre Freundin geworfen hatte, wandte sie sich an den Butler. »Bringen Sie uns bitte Tee, Aldric!«
Dann setzte sie sich zu Nicole auf die Couch. »Ich habe dich noch nie so gesehen, meine Liebe, aber ich hatte schon die düstere Vermutung, dass du heute ziemlich niedergeschlagen sein würdest. Du musst ihn einfach vergessen!«
»Ich kann es nicht. Glaub mir, wenn ich es könnte, würde ich es tun, aber es gelingt mir nicht.« »Es gibt noch viele Männer in London, die ich dir vorstellen könnte.«
»Ach, Martha, das ist doch alles zwecklos. Mein Ruf eilt mir voraus.«
»Den kannst du ändern, wenn du dich darum bemühst!«, sagte Martha nachdrücklich.
»Vielleicht will ich das gar nicht«, fauchte Nicole die Freundin an, doch dann griff sie gleich nach ihrer Hand und meinte: »Entschuldige bitte, ich bin ja nicht auf dich wütend.«
»Das weiß ich doch.«
»Es war ein Fehler, nach London zu kommen, ein Riesenfehler. Ich fahre wieder nach Hause.«
Martha musterte sie eindringlich. »Du rennst weg? Aus Feigheit?«
Nicole errötete.
»Lässt du dich von ihm vertreiben?«
Nicole biss sich auf die Lippen. Martha wusste nicht, was gestern Abend passiert war, aber Nicole wusste es nur allzu gut. Er hatte sich nicht nur erdreistet, ihr zu befehlen, London zu verlassen, nein, er hatte ihr damit auch den Kampf angesagt. Und er hatte sich erdreistet ihr Angst vor ihm zu unterstellen. Wenn sie jetzt plötzlich abreiste, würde der Herzog denken, dass es ihm gelungen sei, sie aus der Stadt zu vertreiben. Und er würde folgern, dass sie tatsächlich feige war und Angst vor ihm hatte. Offenbar wollte er sich auch durch nichts von seiner absurden Annahme abbringen lassen, dass sie nach London gekommen sei, um ihn von seiner geliebten Elizabeth wegzulocken. Wie absolut lächerlich das doch war!
Oder hatte sie insgeheim doch gehofft,
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