Rebellion Der Engel
konnte. »Ich war so besessen von dem Gedanken, dir Nate vorzustellen, dass ich überhaupt nicht daran gedacht habe, wie –«
»Amber, es ist okay«, sagte ich, ehe sie sich weiter inSelbstvorwürfen ergehen konnte. »Der Abend war prima.« Leiser fügte ich hinzu: »Zumindest bis zu dem Augenblick, als mich diese Typen durch den Park verfolgt haben.«
»Rachel, das ist nicht lustig!«
»Nein, das war es auch nicht.«
»O mein Gott, das …« Sie schloss die Tür hinter sich und kam näher. Einen Moment lang blieb sie auf der anderen Seite des Schreibtisches stehen und starrte mich an, als versuche sie in meinen Zügen zu lesen, was passiert war. Schließlich ließ sie sich in den Sessel mir gegenüber fallen. »Rachel?«
Ich erzählte ihr, wie mir die Männer durch den Park gefolgt waren und wie ich – dank der Hilfe eines Unbekannten – schließlich im Büro des Sheriffs gelandet war. Zugegeben, ich fasste mich kurz. Sehr kurz. Ich hätte mir von Anfang an denken können, dass ich damit nicht durchkommen würde. Amber bombardierte mich mit Fragen, bis mein Bericht gezwungenermaßen immer ausführlicher wurde. Das Schlimmste war nicht, dass ich alles noch einmal durchleben musste, sondern das Mitleid, das ich in ihren Augen fand und das mich daran erinnerte, dass tatsächlich etwas Furchtbares passiert war – etwas, was leicht noch sehr viel furchtbarer hätte enden können.
Nachdem ich fertig war, stieß sie hörbar den Atem aus. »Du solltest wirklich zusehen, dass du herausfindest, wer dieser geheimnisvolle Unbekannte war, der dich gerettet hat.«
Sie wollte noch mehr sagen, wurde jedoch von Jill nach vorn gerufen, da eine Kundin sie sprechen wollte. Mit einem letzten langen Blick in meine Richtung verließ sie mein Büro und ich sank in meinem Stuhl zurück, erleichtert, dass ich dieses Gespräch hinter mich gebracht hatte. Ich griff nach dem Korb, in dem Jill und Pat während der letztenWochen alles für mich gesammelt hatten, und begann, die Papiere nach Wichtigkeit zu sortieren.
Immer wieder schweiften meine Gedanken ab. Es hatte keinen Sinn, ich konnte mich nicht konzentrieren. Also schob ich den Stapel vor mir zur Seite, zog die Tastatur heran und rief eine Internetsuchmaschine auf. Eine Weile starrte ich ratlos auf den blinkenden Cursor und fragte mich, was ich eigentlich wollte. Nachforschen, schoss es mir durch den Kopf. In den letzten Wochen hatten sich so viele merkwürdige Dinge zugetragen, dass es höchste Zeit war, mich näher damit zu beschäftigen. Vermutlich hätte ich gut daran getan, meine Nachforschungen damit zu beginnen, indem ich »Halluzinationen« in die Suchmaske tippte. Ich zog es jedoch vor, es mit Schlagwörtern zu versuchen, die den Kerl beschrieben, der auf meinem Rücksitz gesessen und mir gestern im Waschraum erneut begegnet war. Unsichtbar. Nicht stofflich. Durchsichtig. Das war nur ein Teil der Begriffe, die ich in die Tastatur hackte, doch ganz gleich, was ich auch eingab, das Ergebnis war immer dasselbe: Geist.
Genervt griff ich nach meiner Tasse und musste feststellen, dass sie leer war. Für das, was ich als Nächstes vorhatte, brauchte ich dringend Koffeinnachschub: Ich wollte Dr. Fiedler anrufen. Nicht dass ich ihm von Popcorn, dem Geist oder dem Engel des Todes erzählen wollte, ich dachte eher daran, nachzufragen, welche Nachwirkungen eine Verletzung wie meine haben könnte. Vollkommen unverbindlich.
Seufzend stand ich auf, um mir einen frischen Kaffee zu holen. Ich war auf halbem Weg zur Treppe, als jemand meinen Namen rief. Nicht Rachel, sondern: Miss Underwood. Neugierig drehte ich mich um und sah mich meinem unbekannten Retter gegenüber. Heute trug er Schuhe. Dazu ein Paar Bluejeans und ein weißes Hemd. Nur die Haare sahen noch genauso zerwühlt aus wie letzte Nacht, was mich zudem Schluss brachte, dass das wohl so gehörte. Erstaunt stellte ich fest, dass ich ihn immer noch für gut aussehend befand. Irgendwie hatte ich angenommen, dass seine Attraktivität lediglich damit zusammengehangen hatte, dass er mich gerettet hatte – und mit den schlechten Lichtverhältnissen. Doch auch hier, im gnadenlosen Tageslicht, verlor sein Äußeres nichts von seinem Reiz. Wenn überhaupt, dann sah er noch besser aus, was nicht zuletzt an seinen Augen lag. Es waren unglaublich durchdringende Augen, deren Farbe sich mit dem Lichteinfall zu verändern schien. Je nachdem, wie er den Kopf hielt, schimmerten sie mal in durchdringendem Moosgrün, mal in einem warmen
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