Rebellion Der Engel
Waschraum erzählt hatte. »Hast du dazu nichts zu sagen?« Immerhin hatte er angeblich einen Unsichtbaren in meinem Garten bemerkt, und auch wenn meiner nur halb unsichtbar oder eher durchscheinend gewesen war, konnte es durchaus … einen Zusammenhang geben. Ich hatteschon oft davon gehört, dass man Tieren Sinne zuschrieb, die über unsere Vorstellungskraft hinausgingen. Womöglich hatte der Kerl nicht zugelassen, dass Popcorn ihn sehen konnte, aber nicht verhindern können, dass der Kater seine Gegenwart spürte . »Heilige Scheiße!«
Sieht so aus, als müsste ich nichts mehr sagen. Er legte seinen Kopf in meinen Schoß und setzte sein Schnurren fort. Kurz darauf richtete er sich auf. Es kommt Besuch.
Noch bevor ich fragen konnte, was er meinte, klingelte es. Seufzend schob ich Popcorn zur Seite, stand auf und ging zur Tür. Ich war noch nicht einmal auf halbem Weg dorthin, als es erneut klingelte, gefolgt von einem Klopfen. Du meine Güte, wer war da so ungeduldig?
»Ich komme ja schon!«
In dem Moment, als ich die Tür aufriss, kam mir der Gedanke, dass das womöglich nicht sonderlich klug war. Ich hätte vorher fragen sollen, wer da war, oder zumindest einen Blick aus dem schmalen Fenster neben der Tür auf den Besucher werfen können.
Der Anblick des dunkelhaarigen Waschraumgespenstes, das nun vor meiner offenen Tür stand, bestätigte mich in der Überlegung, künftig vorsichtiger zu sein. Sobald ich ihn sah, warf ich die Tür wieder zu. Ehe sie ins Schloss fallen konnte, fing er sie ab und kam herein.
Ich wich zurück.
Er blieb stehen und musterte mich. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
Ein Dollar mehr auf meinem Konto für dumme Fragen.
»Sehe ich so aus, als wäre alles in Ordnung?« Fremde in meinem Haus trugen nicht zu meinem Wohlbefinden bei. Ganz besonders dann nicht, wenn diese Fremden halb durchsichtige Geister waren, die ebenso plötzlich verschwinden konnten, wie sie auftauchten. Nur, dass er diesesMal kein bisschen durchsichtig war. Der Kerl wirkte so real wie der jährliche Steuerbescheid – und ebenso bedrohlich.
Aus dem Augenwinkel sah ich mich nach meiner Handtasche um. Die Kommode, auf der sie lag, war nicht weit entfernt. Nur ein paar Schritte …
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«
»Ach so!«, ätzte ich. »Sag das doch gleich! Ich dachte tatsächlich, ein Fremder in meinem Haus, der die Gabe hat, aus dem Nichts aufzutauchen und mich damit beinahe umzubringen, wäre ein Grund zur Sorge.«
Er ging überhaupt nicht auf meinen Ausbruch ein. »Hat sich etwas verändert?«
Was war das für eine bescheuerte Frage? Zumindest meine Inneneinrichtung hatte sich entscheidend verändert, ich hatte nämlich bis eben keinen Mann in meiner Diele stehen gehabt. Womöglich sollte ich ihm vorschlagen, als Kleiderständer zu fungieren. Ich zwang mich durchzuatmen und verdrängte die merkwürdigen Gedanken an Möbel, die mich vermutlich nur überfielen, damit ich nicht vollends in Panik verfiel. Gestern im Waschraum hatte er mir nichts getan. Allerdings hatte er auch keine meiner Fragen beantwortet, und wer konnte schon sagen, dass er nichts mit den Maskierten zu tun hatte, die mir später gefolgt waren?
»Ist etwas anders als sonst?«, hakte er nach.
»Abgesehen davon, dass ein geisterhafter Typ aus dem Nichts in meinem Wagen erscheint und denselben Stunt noch einmal in der Damentoilette bringt, bevor er am nächsten Tag vor meiner Tür steht? Nein, nichts.« Alles andere ging diesen gruseligen Kerl nichts an.
»Bist du sicher?«
Wusste er nicht, wann es sinnlos war, weiterzubohren? »Du schuldest mir noch eine Erklärung.«
»Ich weiß.« Eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Bedauern lag in seinen dunklen Augen. Aber da war noch etwas anderes in seinem Blick. Etwas, das ich nur schwer deuten konnte. Wärme. Vertrautheit. Als würde er mich nicht erst seit dem Unfall kennen. Was ich sah, gab mir das Gefühl, dass er schon sehr viel länger ein Teil meines Lebens war. Irritiert schob ich den Gedanken beiseite.
»Was ist nun mit meiner Erklärung?« Auch ich konnte beharrlich sein.
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann sie dir nicht geben, Schneewittchen. Ich darf es nicht.«
Seine Worte wuschen jeden Anflug von Vertrautheit fort, den ich bei seinem Anblick verspürt hatte, und gaben meiner Vernunft die Chance, sich zurückzumelden. Da stand ein fremder Mann – ein fremdes Etwas – in meinem Flur, das mich verfolgte, in mein Haus eingedrungen war und seltsame Fragen stellte,
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