Rebellion Der Engel
rieb sich die Schläfe. »Er war wirklich tot, oder? Mein Gott, ich glaube, es wird eine Weile dauern, bis ich das alles verdaut habe, Rachel. Denkst du, es waren diese Maskierten?«
»Popcorn konnte nicht sehen, wer ihn angegriffen hat.«
Einen Moment lang sah sie mich verwirrt an, dann nickte sie. »Ich hatte vergessen, dass du mit ihm sprechen kannst. Was ist das für ein Gefühl?«
»Abgesehen davon, dass er nun nicht nur maunzt, sondern seinem Wunsch nach Sahne und Thunfisch mit Worten Ausdruck verleihen kann?« Ich zuckte die Schultern. »Es ist wirklich seltsam. Ich gewöhne mich nur allmählich daran.« Ich erzählte ihr, wie schwer es mir in den ersten Tagen gefallen war, mich ihm gegenüber wie immer zu verhalten, und welche Schwierigkeiten ich gehabt hatte, ihn überhaupt anzufassen. »Es legt sich langsam und ich denke, in ein paar Wochen ist alles wie immer, nur dass er eben spricht.«
Wir saßen noch eine ganze Weile beisammen, diskutierten über die Ereignisse, betrachteten sie aus verschiedenen Blickwinkeln und versuchten ihnen zum einen einen Sinn abzutrotzen und zum anderen einen Zusammenhang zu finden. Beides ohne Erfolg.
Als wir das Bett im Gästezimmer bezogen, sagte ich: »Es wäre mir recht, wenn du niemandem von diesen Dingen erzählst. Auch Nate nicht.«
Amber zog den Reißverschluss des Bezugs zu und schüttelte das Federbett auf. »Er würde dich nicht für verrückt halten.«
»Darum geht er mir auch nicht.«
»Dann müsste er mich ebenfalls für verrückt halten«, fuhr sie fort, »denn ich habe gesehen, was du mit dem Kakao gemacht hast.«
»Trotzdem möchte ich dein Wort, dass es unter uns bleibt.«
Sie runzelte die Stirn.
»Amber, bitte.«
»Keine Angst, wenn du es nicht willst, werde ich ihm auch nichts sagen.«
23
A kashiel folgte der Signatur und fand sich am Ende einer Stahlbrücke in einer ländlichen Gegend wieder. Die Brücke war zwar hoch, aber nicht breit – gerade mal eine Fahrspur, die sich der Verkehr in beide Richtungen teilen musste. Jetzt jedoch, mitten in der Nacht, gab es keinen Verkehr. Die einzigen Geräusche kamen aus den umliegenden Wäldern und vom Rauschen des Flusses, der in einem raschen Strom zwanzig Meter unter dem Bauwerk hindurchfloss. Die unruhige Wasseroberfläche glitzerte hell im Mondschein und in der Ferne waren die Lichter einer Großstadt hinter den Baumkronen zu erkennen.
»Was führt meinen Lieblingsengel mitten in der Nacht in diese vom Chef verlassene Gegend?«
Akashiel drehte sich zu der Stimme herum, die aus der Dunkelheit an sein Ohr gedrungen war, und sah sich Japhael, dem Obersten der Schutzengel, gegenüber. Der Oberste war eine imposante Erscheinung, schlank und groß, das dichte Haar ebenso schlohweiß wie seine Brauen, die Augen klar, der Blick so durchdringend, dass Akashiel davon überzeugt war, dieser Mann könne alles sehen. Wie gewöhnlich verweigerte er sich der gegenwärtigen Mode und trug lediglich eine einfache hellgraue Robe und Sandalen.
Respektvoll neigte Akashiel das Haupt. »Meister«, begrüßte er seinen einstigen Mentor.
Der schlug ihm ungezwungen auf die Schulter. »Schön, dich zu sehen, Junge!«
Akashiel grinste. »Das letzte Mal ist schon eine Weile her.«
»Die Fähre vor Vancouver Island, vor fast dreißig Jahren.« Japhael verzog das Gesicht, ein deutliches Zeichen dafür, dass er sich selbst heute noch über den Kapitän undseinen Ersten Offizier ärgerte, die sich immun gegen seine und Akashiels Einflüsterungen gezeigt hatten und trotz des Nebels rausgefahren waren – mit dem Ergebnis, dass die Fähre auf einer der Felsinseln vor der Küste aufgelaufen und gesunken war. Danach hatten sie alle Hände voll zu tun gehabt, um zumindest zu den Passagieren durchzudringen. Dass es keine Toten gegeben hatte, war nicht etwa einem Wunder, sondern ihrer Arbeit zu verdanken gewesen. Mit vereinten Kräften hatten sie die Menschen beruhigt und auf den Geist jener eingewirkt, die drauf und dran gewesen waren, mit ihrer Angst eine Massenpanik zu verursachen. Sie hatten Ruhe und Vernunft ausgestrahlt, was letztlich zu einer geordneten Evakuierung mittels der Rettungsboote geführt hatte.
»Du hättest dich ruhig mal melden können.«
»Du weißt ja, wie das ist.« Akashiel zuckte die Schultern. »Die Arbeit.«
»Wenn man sie gut machen will, muss man ein wenig Zeit investieren. Offensichtlich hast du nicht alles vergessen, was ich dir beigebracht habe.« Er hob eine seiner buschigen weißen Augenbrauen
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