Rebellische Herzen
Andenken an einen Liebhaber? Er sprach den Gedanken sofort aus. »Wo haben Sie den Ring her, Lady Miss Charlotte?«
Sogar seine Mutter war wegen seiner scheinbar zusammenhanglosen Frage ungehalten. »Wynter, lenk jetzt nicht vom Thema ab!«
»Nein, es ist schon gut. Das war der Ehering meiner Mutter.«
Charlotte strich mit der Fingerspitze darüber. »Ich habe ihn nicht gestohlen, falls Sie darauf hinauswollen.«
Erschrocken sagte er: »Nein! Diebstahl, das liegt nicht in ihrer Natur.«
»Wenn Sie das wirklich glauben, dann nehmen Sie doch bitte künftig davon Abstand, eine so persönliche Frage in einem so vorwurfsvollen Ton zu stellen.«
Er nickte ernst. »Sie haben Recht, Lady Miss Charlotte.«
Adorna lachte vor Freude. »Sehen Sie? Ich wusste, es würde funktionieren. 0 bitte, Charlotte, auch wenn Ihnen unser guter Name gleichgültig ist, denken Sie bitte an den guten Ruf Englands. Wir dürfen nicht versagen und müssen uns der sereminianischen Delegation von unserer besten Seite zeigen!«
»Ich bezweifle, dass die sereminianische Delegation die Feinheiten der englischen Gesellschaft besser erfasst als Wynter.« Aber offensichtlich war Charlotte weich geworden.
Adornas nächste Worte brachten Charlotte endgültig aus der Fassung. »Neben den Sereminianern wird auch Königin Victoria unter den Gästen sein.«
Charlottes Finger verkrampften sich auf ihrem Schoß. »Ihre Majestät? Hier?« Sie starrte Wynter mit unverhohlener Bestürzung an. Sie sah seine nackten Füße, die Beine, die sich unter der Djellaba abzeichneten, sein unordentliches Gelümmel. »Mit ihm?«
Er neigte feierlich den Kopf – und kräuselte die Zehen. »Ich werde die Königin mit meiner offenen Art beeindrucken, denn sie ist sicherlich weise und stark.«
»Nein«, platzte Charlotte heraus. »Ihre Majestät wäre ganz bestimmt nicht beeindruckt. Gut, Adorna, ich werde es versuchen, aber nur abends, und … und ich wünsche, dass mein Honorar für diese Zeit verdoppelt wird.«
»Verdoppelt?« Adorna, ganz Geschäftsfrau, sah bestürzt aus.
Aber Wynter nickte ihr kurz zu.
»Also, das Doppelte.« Adorna gab mit strahlendem Lächeln nach.
Charlotte leerte ihr Glas und stand auf. Sie hatte eine leichte Schlagseite nach rechts, und Wynter streckte die Hand aus, um sie zu stützen. Aber sie schüttelte sie ab. »Wenn das alles ist, werde ich mich jetzt auf mein Zimmer zurückziehen.«
»Das ist alles«, bestätigte Adorna.
Charlotte bewegte sich mit der immensen Würde der Beschwipsten aus dem Raum, das Glas hatte sie immer noch in der Hand. Mutter und Sohn sahen ihr nach.
»Die Ärmste«, bemerkte Adorna als sie draußen war. »Es sieht ganz so aus, als vertrüge Charlotte keinen Brandy.«
»Ganz so sieht es aus.« Wynter beugte sich zu seiner gerissenen Mutter hinüber. »Vielleicht sollten wir ihre Ration in Zukunft einschränken.«
»Ja …«, Adorna nahm ihr Glas und nippte. »Solange wir sie nicht zu etwas überreden müssen.«
»Jemand sollte sicherstellen, dass sie den Weg in ihr Schlafzimmer findet.«
Adorna hob das Glöckchen an. »Ich werde Miss Symes rufen.«
Er gebot ihr Einhalt. »Ich werde mich selbst darum kümmern. Ich möchte Miss Priss klar machen, worin ihre Pflichten mir gegenüber bestehen.«
Adorna lächelte ihn schmeichelnd an. »Wynter, du bist mir doch nicht wirklich böse wegen der kleinen List, oder?«
»Mutter, du bist voller kleiner Listen. Diese letzte überrascht mich kaum.« Doch Wynter war ganz der Sohn seiner Mutter. Er würde Adornas Plan akzeptieren, um sein eigenes, gerade gefasstes Vorhaben zu kaschieren – ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedachte, wie leicht Adorna einen Braten roch. Doch er verfügte über etwas, das den Anderen fehlte. Er war erfahren darin, Adorna zu foppen. In seiner Jugend war dies eine notwendige Fertigkeit gewesen, »Ich werde mitspielen, aber sie muss wissen, wo ihr Platz ist.«
Er sah die Wut in Adorna aufsteigen und ihre blauen Augen funkeln. »Das ist genau die Art von Äußerung, die es erforderlich macht, eine Gouvernante für dich einzustellen.«
»Ich wüsste nicht, warum.« Er stand auf und verneigte sich. »Ich muss meiner neuen Lehrerin hinterher. Gute Nacht, Muttter.«
Kapitel 10
Wynter ließ seine Lässigkeit in Adornas Salon. Er wusste, wo Charlottes Schlafzimmer war; er hatte es sich am Nachmittag nach ihrer kleinen Meinungsverschiedenheit zur Aufgabe gemacht, dies herauszufinden. Wenn er sich beeilte, erwischte er sie noch in der
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