Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
er das schon mal gesagt.
»Auf die Baustellen hätte ich schon verzichten können«, pflichtete ihm Jackie Platt bei. Rebus fing Rhonas Blick auf; sie sah sofort weg, um etwaigen Vorwürfen auszuweichen.
Rebus empfand diesen Klotz von Mann als Fremdkörper. Es war so, als hätte sich ein Schauspieler auf den falschen Set verirrt. Platt hatte nicht im Drehbuch gestanden.
»Sie sieht so friedlich aus, nicht?«, meinte der Mann, während er auf das Bett zuging. Er berührte ihren Arm, Sammys bandagierten Arm, strich mit dem Handrücken darüber. Rebus bohrte sich die Nägel in den Handteller. Dann gähnte Platt. »Weißt du, Rhona, das mag jetzt nicht die feine Art sein, aber ich glaub, ich steh kurz vorm Koma, muss jetzt einfach 'ne Runde knacken. Wir sehen uns im Hotel, okay?« Sie nickte erleichtert. Platt nahm den Koffer. Als er an Rhona vorbeiging, fuhr seine Hand in die Hosentasche und tauchte mit ein paar zusammengefalteten Geldscheinen wieder auf.
»Nimm dir'n Taxi, okay?«
»Okay, Jackie. Bis nachher.«
»Cheerio, Süße.« Er drückte ihre Hand. »Tschüs, Mickey. Alles Gute, John.« Ein gewaltiges, das ganze Gesicht faltendes Augenzwinkern, und er war weg. Rhona hob ihre freie Hand, die ohne das Bündel Banknoten.
»Kein Wort, okay?«
»Nichts läge mir ferner«, erwiderte Rebus und setzte sich. »>Ich glaub, ich steh kurz vorm Koma«. Äußerst taktvoll, was?«
»Komm schon, Johnny«, sagte Mickey. Johnny: Nur Mickey kriegte das hin, den Namen so auszusprechen, dass die Jahre von ihnen beiden abfielen. Rebus sah seinen Bruder an und lächelte. Mickey war Psychotherapeut; er fand immer das richtige Wort.
»Warum das Gepäck?«, fragte Rebus Rhona.
»Was?«
»Du gehst doch in ein Hotel, warum hast du die Sachen nicht im Auto gelassen?«
»Ich wollte eigentlich hier bleiben. Die hatten mir gesagt, es sei möglich. Aber dann hab ich sie gesehen... und es mir anders überlegt.« Tränen rannen ihr über die Wangen und verwischten die bereits zerlaufene Mascara noch weiter. Mickey hatte ein Taschentuch parat.
»John, was, wenn sie...? O Gott, warum musste das nur passieren?« Sie heulte jetzt. Rebus ging zu ihr, ging in die Knie und legte die Hände auf ihre. »Sie ist alles, was wir haben, John. Sie ist alles, was wir je gehabt haben.«
»Sie ist noch immer da, Rhona. Sie ist direkt vor dir.«
»Aber warum sie? Warum Samantha?«
»Das werde ich ihn fragen, wenn ich ihn gefunden habe, Rhona.« Er küsste sie auf den Scheitel, die Augen auf Mickey gerichtet. »Und glaub mir, ich werde ihn finden.«
Als Ned Farlowe später vorbeikam, nahm Rebus ihn mit nach draußen. Es nieselte, aber die Luft tat gut.
»Einer der Augenzeugen«, sagte Rebus, »glaubt, dass es vorsätzlich war.«
»Ich verstehe nicht.«
»Er glaubt, dass der Fahrer Sammy anfahren wollte.«
»Ich kapier's immer noch nicht.«
»Nun, es gibt zwei mögliche Szenarien: Erstens, er war einfach darauf aus, einen Fußgänger zu überfahren, und jeder wäre ihm recht gewesen. Zweitens, er hatte es konkret auf Sammy abgesehen. Er war ihr gefolgt; als sie die Straße überquerte, sah er seine Chance gekommen. Die Ampel stand zwar auf Rot, aber er musste trotzdem durch. Dann war sie schon so nah an den Bordstein gekommen, dass er die Fahrbahn wechseln musste.«
»Aber warum?«
Rebus starrte ihn an. »Ich bin Sammys Vater, und Sie sind ihr Lebensgefährte, okay? Was das Folgende anbelangt, vergessen Sie ihren Beruf.«
Farlowe erwiderte seinen Blick, nickte bedächtig.
»Ich hab ein paar Konfrontationen mit Tommy Telford gehabt«, erklärte Rebus. Er sah Teddybären vor sich: Pa Broon und denjenigen, den Telford immer in seinem Auto dabeihatte. »Das könnte eine Botschaft für mich gewesen sein.« Telford oder Tarawicz: Jacke wie Hose. »Oder für Sie, wenn Sie Fragen über Telford gestellt haben sollten.«
»Sie meinen, mein Buch...«
»Ich bleibe nach allen Seiten offen. Ich habe an dem Lintz-Fall gearbeitet... und Sie ebenfalls.«
»Jemand, der uns von der Sache abzuschrecken versucht?«
Rebus dachte an Abernethy, zuckte die Achseln. »Dann wäre da noch Sammys Job, ihre Arbeit mit Exknackis. Vielleicht hatte jemand einen Hass auf sie.«
»Herrgott.«
»Hat sie mal erwähnt, dass ihr jemand gefolgt sei? Dass sie Fremde in der Gegend gesehen hätte?« Die gleiche Frage, die er den Petrecs gestellt hatte - nur eines anderen Opfers wegen...
Farlowe schüttelte den Kopf. »Also«, sagte er, »noch bis vor fünf Minuten war ich von
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