Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
»Mit Eis und Zitrone.« Er tat so, als sehe er ihr nach. In Wirklichkeit ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Er hatte sich nach dem Hereinkommen schnell an den Spieltisch gesetzt: Wäre er erst im Raum herumgewandert, hätte er die Leute auf sich aufmerksam gemacht, und er konnte nicht wissen, ob es nicht jemanden gab, der ihn kannte.
Doch die Sorge war unnötig. Die einzige Person, die er kannte, war Matsumoto, der sich gerade die Hände rieb, als der Croupier ihm einen Stapel Chips zuschob. Rebus hörte bei achtzehn auf. Der Geber hatte zwanzig. Rebus war nie ein großer Spieler gewesen. Er hatte es im Fußballtoto versucht, manchmal bei den Pferderennen und neuerdings gelegentlich im Lotto. Aber Spielautomaten interessierten ihn nicht; ebenso wenig die Pokersessions, die im Büro organisiert wurden. Er kannte andere Methoden, sein Geld zu verlieren.
Matsumoto verlor und stieß - dem Klang nach zu urteilen - einen Fluch aus, der ein bisschen lauter ausfiel, als es sich für die Örtlichkeit schickte. Der magere Sicherheitstyp streckte den Kopf durch die Tür, aber Matsumoto ignorierte ihn, und als Mr. Mager sah, wer da krakeelte, zog er sich rasch wieder zurück. Matsumoto lachte: Seine Englischkenntnisse mochten bescheiden sein, aber er wusste, dass er in diesem Klub etwas zu melden hatte. Er erzählte der Tischrunde ausführlich etwas auf Japanisch, nickte dazu und bemühte sich um Blickkontakt. Dann brachte ihm eine Hostess einen großen Tumbler Whisky on the Rocks. Er gab ihr ein paar Chips als Trinkgeld. Der Croupier bat die Spieler um ihre Einsätze.
Matsumoto verstummte und machte sich wieder an die Arbeit.
Rebus' Bestellung brauchte etwas länger; Coke war nicht gerade das typische Zockergetränk. Er hatte ein paar Spiele gewonnen, fühlte sich ein bisschen besser. Stand auf, um seinen Drink entgegenzunehmen. Er hatte der Bank gesagt, dass er das nächste Spiel aussetzen würde.
»Wo kommen Sie her?«, fragte er die Hostess. »Ich kann Ihren Akzent nicht einordnen.«
»Ich bin aus Ukraine.«
»Sie sprechen gut Englisch.«
»Danke.« Sie wandte sich ab. Konversationmachen gehörte nicht zu den Aufgaben des Personals; es lenkte die Gäste vom Spielen ab. Ukraine: Rebus fragte sich, ob sie auch einer von Tarawicz' Importen war. Wie Candice... Ein paar Dinge schienen ihm klar zu sein. Matsumoto fühlte sich hier wie zu Hause, war also bekannt. Und die Angestellten behandelten ihn wie ein rohes Ei, folglich besaß er Einfluss, hatte Telford hinter sich. Telford wollte, dass man ihn bei Laune hielt. Das war keine allzu interessante Erkenntnis für all die Zeit und Mühe, die Rebus investiert hatte, aber immerhin etwas.
Dann betrat jemand den Raum. Jemand, den Rebus kannte. Dr. Colquhoun. Er bemerkte Rebus sofort, und die Angst in seiner Miene war nicht zu übersehen. Colquhoun: in seinem Institut krankgemeldet, beurlaubt, ohne Nachsendeadresse verschwunden. Colquhoun: der gewusst hatte, dass Rebus Candice zu den Petrecs brachte. Rebus beobachtete, wie er rückwärts zur Tür ging, kehrtmachte und floh.
Optionen: ihm nachlaufen oder bei Matsumoto bleiben. Wer war ihm momentan wichtiger, Candice oder Telford? Rebus blieb. Aber jetzt, wo Colquhoun sich wieder in der Stadt aufhielt, würde er ihn aufspüren. So viel war sicher.
Nach eineinviertel Stunden Blackjack überlegte er sich, ob er nicht einen Scheck für weitere Chips ausstellen sollte. In wenig mehr als einer Stunde zwanzig Pfund verpulvert, und dazu Candice, die in seinem übervollen Kopf um ein bisschen Platz kämpfte. Er legte eine Pause ein, schlenderte zu einer Reihe von Geldautomaten, aber die Lichter und Knöpfe machten ihn ganz wirr. Er drückte dreimal daneben und überzog einmal das Zeitlimit. Wieder zwei Pfund zum Teufel - diesmal in ein paar Minuten. Kein Wunder, dass Klubs und Pubs so heiß auf Geldautomaten waren. Tommy Telford hatte sich die richtige Branche ausgesucht. Die Hostess von vorhin kam wieder auf ihn zu, fragte, ob er noch was trinken wolle.
»Nein, danke«, sagte er. »Nicht viel los heute Abend.«
»Es ist noch früh«, erklärte sie. »Warten Sie bis nach Mitternacht...«
Er dachte nicht im Traum daran, noch so lang zu bleiben. Aber Matsumoto überraschte ihn. Er warf die Hände in die Höhe, gab wieder einen Schwall Japanisch von sich, nickte und grinste, sammelte seine Chips zusammen, löste sie ein und verließ das Kasino. Rebus wartete dreißig Sekunden, bevor er ihm folgte. Verabschiedete sich
Weitere Kostenlose Bücher