Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Mannheimer Landgerichts verließen. Kurer hatte das Ganze im Gerichtssaal miterlebt, Reto und Miriam waren in einem Nebenraum und wurden nach dem Urteil Zeugen des Ausrastens der Nebenklägerin Claudia Dinkel, als sie ihren Anwalt Franz als »feige Sau« beschimpfte und akustisch nachvollziehbar gegen allerlei Gegenstände trat.
Es gab dem Freispruch trotz der nachtretenden mündlichen Urteilsbegründung einen süßen Nachgeschmack, dass er für Dinkel so überraschend kam und seine Wirkung erst nach einer Schockstarre entfaltete. Mich hatte erstaunt, dass sie überhaupt anwesend war, aber die Staatsanwaltschaft und die Schwetzinger Polizei (die in Gestalt von zweien meiner Verhafter auch bei allen Plädoyers und am Urteilstag im Saal vertreten war, um der Ernte ihrer Saat beizuwohnen) hatten sie vermutlich so weit »stabilisiert«, dass es erst mit Verspätung zur Reaktion kam.
Nun galt es, die Paparazzi abzuschütteln, um sich am Ende in einem Kraichgaudörfchen zu treffen und den Tag ausklingen zu lassen. Johann Schwenn gab noch Interviews und fuhr dann nach Norden, um dem Justizmoloch weitere unschuldige Opfer zu entreißen, und Andrea Combé und ich hatten das Problem mit den erwähnten Geiern. Einer der größten unter ihnen hatte schon seit Tagen die Kanzlei von Combé belagert und uns dort immer wieder widerrechtlich fotografiert. Nun verfolgte er uns per Motorrad. Ich wollte alles tun, damit es am folgenden Tag nicht ein Foto von einer als solcher bezeichneten Siegesfeier geben würde, und am späten 31. Mai 2011 wollten Miriam und ich tunlichst ohne Verfolger in unser kleines Exil im französischen Département Jura (merci, Laurent et famille!) verschwinden, das wir schon seit einer knappen Woche bezogen hatten.
Es ist kein leichtes Unterfangen, einen Motorradfahrer loszuwerden, das war mir klar. Andrea Combé war keine Königin des Einparkens, und ich ahnte, dass sie auch nicht die Höllenfahrerin sein würde, die einen Motorradgeier abhängen könnte, was ja auch okay war. Wir fuhren auf gut Glück in eine Tiefgarage, die ich zu Fuß irgendwo anders wieder verlassen wollte, damit der an der Einfahrt lauernde Paparazzo mich nicht sehen konnte; anschließend würde ich per Taxi zu einem Treffpunkt kommen. Was wir nicht wussten, war, dass die Tiefgarage in Heidelberg nicht irgendwelche Eingänge in ein Haus, sondern nur einen Notausgang in einen Innenhof aufwies. Mist. Da stand ich nun, frisch freigelassen, mutterseelenallein in einem großen Innenhof, umgeben von Wohnblöcken – fast schon wieder eine Einladung an Falschbeschuldigerinnen. An einer Ecke des Innenhofs stand eine Tür offen, durch die ich trat – ich hatte keine andere Wahl, da ich nicht um Hilfe schreien konnte und wollte. Unvermittelt stand ich in einem Großraumbüro bei drei sehr überraschten Menschen, von denen einer glücklicherweise Andrea Combé kannte. Ich bestand darauf, dass die beiden miteinander telefonierten, und bat um Geleit aus der Tiefgarage, musste aber freundlich bestimmt darauf bestehen, dass nicht nur die hilfsbereite Frau, sondern auch der Kollege mich dabei begleitete – schwer, etwas zu fordern, wenn man in der Bredouille ist, aber ich konnte erklären, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen niemandem mehr trauen konnte und mich bis zum Lebens ende nicht mehr mit einer Frau alleine in einem Raum aufhalten wolle. Das haben alle Beteiligten verstanden, und los ging es in dem kleinen Autochen mit mir auf dem Rücksitz, mit einer Fitnessmatte zugedeckt. Der Paparazzo hat es nicht gerafft, und ich wartete für mich unendlich lange Minuten an dem Ort, an dem ich ausgesetzt worden war, auf meine Abholer. Zehn Minuten später waren alle da, und wir blieben unentdeckt bis zur Pressekonferenz der Firma am 15. Juli 2011 – ein schöner Erfolg.
Die Paparazzi jammerten nach dem 31. Mai 2011 über die nach ihrer Ansicht unbotmäßige Erschwerung ihrer Arbeit, und im Branchendienst fotointern.ch schrieb man unter dem Titel »Fehlinvestitionen in Kachelmann«:
»Mit dem vorläufigen Freispruch für Jörg Kachelmann sitzen Fotografen und Agenturen auf teuer erwirtschafteten Bildern, die sie allenfalls nach einem Revisionsverfahren verwerten können. Während des Prozesses wurde die Publikation von seinen Anwälten umgehend und erfolgreich verhindert. Nun werden die ›bösen Medien‹ beschuldigt, über Monate dem Freigesprochenen nachgestellt zu haben. Doch die Geschichte wird eine Fortsetzung finden, mit einer Dokumentation,
Weitere Kostenlose Bücher