Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
durchgehalten hat (insbes. in der Videovernehmung am 30.3.2010, aber auch zunächst noch in der staatsanwaltlichen Vernehmung vom 20.4.2010), hat sie ihre Fähigkeit zur Konstruktion und Aufrechterhaltung einer Falschaussage unter Beweis gestellt.
Die Nebenklägerin gibt in der Videovernehmung vom 30.3.2010 – unter Vorhalt aus dem Chat mit dem Angeklagten vom 8.2.2010 16 Uhr (›komme sicher noch während der heizperiode, aber vielleicht musst du nichts zu essen machen zur zeitersparnis für unsere hauptaufgaben‹) – zum in Aussicht genommenen chronologischen Ablauf des Zusammentreffens mit dem Angeklagten am Tatabend an, dass die Handschließen hätten benutzt werden sollen, ›sie, wenn sie den Brief nicht gefunden hätte, auch die Sachen bereit gelegt hätte, sie aber nichts mehr bereitgelegt habe‹. Die damit aufgestellte Behauptung der Nebenklägerin, den anonymen Brief im Briefkasten erst nach dem mit dem Angeklagten geführten Chat vorgefunden zu haben, stellt eine wahrheitswidrige Erklärung der Nebenklägerin zur Umkehrung des von dem Angeklagten zuvor im Chat vorgeschlagenen – und auch bislang nicht unüblichen – Ablaufs des Zusammentreffens dar. Gründe, die sie in der Tatnacht gegenüber dem Angeklagten, der in guter Stimmung angekommen sei, für die Umkehrung der im Chat vorgeschlagenen, von ihm bevorzugten Reihenfolge des Geschehens vorgebracht und wie dieser darauf reagiert habe, sind ihrer Aussage nicht zu entnehmen. Die Angaben der Nebenklägerin zum abweichenden Einstieg in den Tatabend sind insoweit wenig detailreich, ähnlich wie ihre Angaben zum Kerngeschehen. Die Art und Weise des Beginns des Zusammentreffens kann indes die weitere Abfolge des Tatabends – entweder nach der Schilderung der Nebenklägerin beginnend mit gemeinsamem Essen oder nach Einlassung des Angeklagten beginnend mit einvernehmlichem Geschlechtsverkehr – beeinflusst haben. Inwieweit es sich hierbei um ein bloßes Randgeschehen des Verlaufs der Tatnacht oder um eine für Kerngeschehen bedeutsame ›Scharnierstelle‹ handelt, ist der Klärung der Hauptverhandlung vorbehalten.
Bei dieser Lage der Aussagen der Nebenklägerin sind an die Prüfung und Annahme der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben, insbesondere zum Kerngeschehen, dem Vergewaltigungsvorwurf, erhöhte Anforderungen zu stellen.
Diesen Anforderungen genügt die Aussage der Nebenklägerin – nach dem von keiner Seite in Zweifel gezogenen Ergebnis der eingehenden Exploration und darauf aufbauenden überzeugenden aussagepsychologischen Begutachtung der Nebenklägerin durch die Sachverständige Diplom-Psychologin Prof. Dr. L. Greuel – nicht (laut Gutachten vom 31.5 . 2010). Die Aussage selbst weist erhebliche Mängel auf, die bereits die sog. Mindestanforderungen betreffen (Logik, Konsistenz, Detailierung, Konstanz, Strukturgleichheit). Demzufolge kann ein etwaiger Erlebnisbezug der Aussage oder umschriebenen Aussagekomplexe mit aussagepsychologischen Methoden nicht bestätigt werden. Dieses Ergebnis ist, worauf auch die Sachverständige hinweist, freilich nicht mit dem Nachweis einer intentionalen Falschaussage der Nebenklägerin gleich zusetzen.
Zu Ansätzen außerhalb dieser Methodik ist zu bemerken:
Der schlichte Schluss, die Nebenklägerin könnte den Angeklagten (aufgrund ihrer mangelhaften Aussage) zum Kerngeschehen, zur Vergewaltigung, nicht falsch angeschuldigt haben (weder objektiv noch subjektiv), weil sie den Angeklagten mit einer mangelfreien (qualitätsreicheren) Aussage hätte überzeugender falsch anschuldigen können, erscheint zirkelschlüssig (sofern die fragliche Aussage der Nebenklägerin keine externe Bestätigung finden sollte). Ein dahingehender Schluss hätte zu besorgen, dass als Beweisanzeichen für die Richtigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin deren Aussage selbst (Aussage: mangelbehaftet statt mangelfrei) Verwendung fände, deren Richtigkeit erst bewiesen werden soll (vgl. BGH , StV 2005, 487; NStE StPO § 261 Nr. 99; BVerfG NJW 2003., 2444; Dah s / Dahs Die Revision im Strafprozess, 6. Aufl., 2001, Rdnr, 418; Meyer-Ge a.a.O., § 337 Rdnr. 30a). So stellt auch die Sachverständige im Rahmen Ihres Gutachtenauftrags – vor dem Hintergrund der intellektuellen Fähigkeiten der Nebenklägern – denkfehlerfrei – fest, dass aus einem Qualitätsmangel der Aussage selbst nicht der Beleg für den Erlebnisgehalt der Aussage abgeleitet werden kann (Greuel Rdnrn 377).
Gefahr, einem Zirkelschluss zu unterliegen,
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