Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
hinausgehenden dringenden Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO ) im Sinne des mit dem Haftbefehl bzw. der Anklage erhobenen Tatvorwurfs nicht zu bejahen.
Bei vorläufiger Gesamtwürdigung nach Lage der Akten hat der Senat zunächst hinsichtlich der allgemeinen Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin und der Glaubhaftigkeit ihrer den Angeklagten belastenden Aussage im engeren Sinne im Wesentlichen bedacht:
Die bei der Anzeigeerstattung am 9.2.2010 und der ergänzenden kriminalpolizeilichen Vernehmung am selben Tage gemachten Angaben der Nebenklägerin, am Nachmittag des Tattages (8 . 2 . 2010) in ihrem Briefkasten einen anonymen Brief zusammen mit einer Ablichtung von zwei aus September 2008 datierenden Flugtickets des Angeklagten mit einer Frau […] vorgefunden zu haben, waren falsch. Ebenso unwahr waren die in der kriminalpolizeilichen Vernehmung vom 11.2 . 2010 darüber hinaus gemachten Angaben der Nebenklägerin, keine Ahnung zu haben, wer ihr den Brief geschickt haben könnte, sie habe sodann nach der Frau gegoogelt, aber keinen Kontakt mit ihr aufgenommen und wisse nicht, ob es sich auch um die Frau handele. In der kriminalpolizeilichen Videovernehmung vom 30.3.2010 gab die Nebenklägerin außerdem für den Zeitpunkt der Erlangung des fraglichen (in Wirklichkeit von ihr gefertigten) Briefes fälschlich an, diesen nach dem mit dem Angeklagten am Nachmittag im Hinblick auf das abendliche Zusammentreffen geführten Chat vorgefunden zu haben. Gezielte Fragen nach Fantasienamen, unter und mit denen sie den von ihr verschwiegenen, mit […] in der Zeit vom 10.12 . 2009 bis 13.1.2010 gehaltenen Mail-Verkehr geführt hatte, verneinte die Nebenklägerin. Dass sie wahrheitswidrige Angaben nach den beiden Erstvernehmungen vom 9 . 2 . 2010 in den beiden folgenden Vernehmungen vom 11.2 . 2010 und 30.3 . 2010 (und selbst noch bis 19.4 . 2010 gegenüber ihrem Therapeuten Prof. Dr. S. in den bis dahin geführten Therapiegesprächen) aufrechterhielt, vielmehr diese erst am 20.4.2010 und dann erst auf eindringlichen Vorhalt der beiden vernehmenden Staatsanwälte berichtigte, erschüttert zweifellos die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin, wie sie selbst weiß – auch unter Beachtung ihrer Vorstellung/Angst, dass man ihr überhaupt nicht glauben werde, wenn sie vorbringe bzw. einräume, dass sie von den Flugtickets und damit der Existenz der [Name der Konkurrentin; Anmerkung JK] bereits seit geraumer Zeit gewusst, diesen Umstand aber aus strategischen Erwägungen gegenüber dem Angeklagten verschwiegen und den anonymen Begleitbrief verfasst habe–. Dieses Aussageverhalten der Nebenklagerin erschüttert auch und insbesondere die Ermittlung des Wahrheitsgehalts der Angaben zum Vergewaltigungsvorwurf, dem Kerngeschehen.
Die Falschangaben der Nebenklägerin könnten durchaus der Belastungsmotivation geschuldet sein. Insofern dürfte sich zwischen einem Motiv ›Festlegung des eigenen Glaubwürdigkeitseindrucks‹ und einer Belastungsmotivation diffenzieren lassen, zumal Ziel der Falschangaben war, die Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Kerngeschehen nicht zu erschüttern, Zweifel dahin, ›alles sei vorher geplant gewesen‹ nicht aufkommen zu lassen. Das Streben eines Zeugen, seinen Glaubwürdigkeitseindruck mit Falschangaben zu festigen, kann überschießende Belastungstendenzen beinhalten, wenn auch die Brieflüge der Nebenklägerin gegenüber dem Angeklagten selbst noch als Strategie/Taktik zur Konfrontation des Angeklagten nachvollziehbar sein mag.
In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass die ›Brieflüge‹ auch subjektiv in der Person der Nebenklägerin zwei nicht zu übersehende beachtliche unterschiedliche Zielrichtungen beinhaltete (vor der fraglichen Tat des Angeklagten: Täuschung des Angeklagten, nach der fraglichen Tat: Täuschung der Ermittlungsbehörden; insofern ist im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen BGH St 45, 164, 170 zu bedenken: ›Bemühen der lügenden Person, auf sein Gegenüber glaubwürdig zu wirken‹).
Mit Art und Weise des von ihr verschwiegenen, in der Zeit vom 10.12.2009 bis 13.1.2010 mit […] geführten Mail-Verkehrs, nach der sie bereits – wie sie ebenfalls verschwiegen bzw. in Abrede gestellt hat – seit dem 8.2.2009 per Google gesucht hatte – hat die Nebenklägerin ein nicht unbeachtliches Fantasie- und Beharrungsvermögen unter Beweis gestellt.
Dadurch, dass sie auch unter Befragungsdruck ihre Falschangaben
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