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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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wahrzunehmen habe, aber dass ich bei ihnen in Köln übernachten könne, wenn ich keine andere Möglichkeit hätte. Ich war darüber sehr erleichtert, denn es nahm mir eine Entscheidung ab, und zugleich war ich froh, weiter in der Nähe desjenigen zu sein, der Jörg aus diesem Mist wieder herausholen sollte, in den ihn diese Frau mit ihrer erfundenen Geschichte gebracht hatte. Dass es nur eine Erfindung sein konnte, die die Anzeigeerstatterin von sich gegeben hatte, wusste ich von Anfang an. Jede Frau, die Jörg kennengelernt beziehungsweise mit ihm jemals eine Beziehung gehabt hatte, musste das wissen.
    Die Birkenstocks erklärten, dass sie vor der Abfahrt noch eine Zigarette rauchen wollten. Draußen beratschlagten wir, wer fährt, und ich war sehr dankbar, dass sich Frau Birkenstock anbot, Jörgs Volvo zu fahren, denn ich war nicht nur nervlich ziemlich am Ende, sondern obendrein noch Fahranfängerin. Ich ahnte, dass ich mit dem Fahrstil von Herrn Birkenstock, der es eilig hatte, nicht würde mithalten können. So saßen am Ende Frau Birkenstock und ich gemeinsam im Volvo und unterhielten uns. Wobei ich mich anfangs eher interviewt fühlte und auch ihre Ratschläge, um die ich nicht gebeten hatte, schon fast anmaßend fand, aber zu geschwächt war, um mich angemessen zur Wehr zu setzen. Ich ließ sie reden, weil es mir letztendlich auch egal war, was eine fremde Frau von mir, meinem Leben und meiner Beziehung zu Jörg hielt. Ich konzentrierte mich darauf, für die Gastfreundschaft dankbar zu sein, und blendete alles andere so gut es ging aus.
    Die Fahrzeit von der » Wetterau« nach Köln beträgt ungefähr zwei Stunden, und das Gespräch deprimierte mich zusehends, da ich bemerkte, dass Frau Birkenstock offenbar Dinge über Jörg wusste, die mir unbekannt waren. Das half keineswegs, meine Stimmung aufzuhellen, sondern verstärkte das flaue Gefühl im Magen nur noch. Ich hatte nicht die Kraft zu fragen, wer die Frau war, die Jörg angezeigt hatte. Während der Verhaftung hatte ich noch gedacht, es sei diese Stalkerin, von der ich wusste, dass Jörg erfolgreich gegen sie vorgegangen war, aber die Andeutungen von Frau Birkenstock sprachen gegen diese Annahme.
    Doch dies alles bewegte mich innerlich nicht so sehr wie die Hoff nung, dass Jörg möglichst schnell wieder aus dem Gefängnis kam, dass niemand etwas von der Verhaftung erführe und Jörg nicht der öffentlichen Schadenfreude ausgesetzt sein würde. Alles andere konnte man später klären.
    Im Haus der Birkenstocks angekommen, setzten wir uns erst in die Küche, rauchten wieder und tranken Cola. Frau Birkenstock verließ den Raum, und ich war mit Herrn Birkenstock allein. Wir schwiegen viel. Er wirkte gelöst und freundlich, und ich merkte schon damals, dass ich seine Gegenwart als weitaus angenehmer empfand als die seiner Frau. Er erzählte von dem Eindruck, den er von Jörg gewonnen hatte. Jörg sei ein sehr höflicher, freundlicher Mann, der überhaupt nicht abgehoben gewirkt habe und sehr tapfer gewesen sei, ruhig und zuversichtlich. Dann demonstrierte er, wie Jörg mit überkreuzten, gefesselten Armen vor ihm gesessen hatte, und empörte sich darüber, dass es eine Schikane der Polizei gewesen sei, ihn so zu ihm zu führen. Das sei vollkommen überflüssig gewesen, und früher hätte man das so auch nicht gehandhabt. Bei dem Gedanken, dass Jörg mit gefesselten Händen wie ein überführter Verbrecher in einem kleinen Raum gewartet hatte, spürte ich, wie mir angesichts dieser Ungerechtigkeit Tränen in die Augen schossen, ich konnte sie aber glücklicherweise zurückhalten.
    Nach diesem Gespräch brachen wir zusammen mit der Tochter des Hauses zu einem Büffet bei einem mit der Familie Birkenstock befreundeten Italiener auf. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was gefeiert wurde, nur noch daran, dass ich kaum etwas aß, ein Glas Rotwein trank und die Fröhlichkeit und Feierstimmung der Birkenstocks an diesem Abend nicht teilen konnte.
    Das Fest bot aber zumindest eine oberflächliche Ablenkung, und so versuchte ich mich darauf einzulassen, indem ich mich ein bisschen mit der Tochter unterhielt, die eine sehr freundliche angenehme Frau ungefähr in meinem Alter war. Sie lud mich später am Abend noch ein, mit ihr und Freunden in die Disco zu gehen, und Birkenstocks taten wirklich alles, um mich zu ermutigen, sie zu begleiten: Aber mir lag nichts ferner als in irgendeiner Kölner Disco den Tag zu betanzen und mich unter noch mehr Leute zu mischen. Dieser

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