Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Begriff »Escortservice«, woraufhin sie sagte, sie habe gar nicht gewusst, was das sei, als sie sich beworben hatte.
Wenn ich schon damals gewusst hätte, wie verbissen die Mannheimer Landrichter Seidlingbockbültmann in ihrem Drang agierten, den hohen Herren vom Oberlandesgericht, die mich freigelassen hatten, zu zeigen, wer am Ende das Sagen hat, wenn ich das nur irgendwie geahnt hätte, wäre ich an jenem 31. Juli 2010 noch ein wenig trauriger geworden, als ich’s in der Birkenstock’schen Küche eh schon war, als man schon wieder eine Stellungnahme gegenüber der BamS entwerfen musste, die die Focus -Geschichte vorab gebracht hatte. Es war nichts Neues daran, schon dem Oberlandesgericht Karlsruhe lag diese Aussage vor, und es hat mich trotzdem rausgelassen: Diese »Anknüpfungstatsache«, wie es juristisch heißt, war dem OLG zu Recht nicht geheuer (nicht einmal der Staatsanwaltschaft, die dieses neue Verfahren im Hinblick auf die zu erwartende Strafe im Vergewaltigungsverfahren sogleich vorläufig einstellte, um es noch vor Rechtskraft des Freispruchs wiederaufzunehmen und dann mangels Tatnachweis endgültig einzustellen).
Ich fragte mich einmal mehr, warum wir nicht von Anfang an eine Gegenanzeige gegen die Nebenklägerin gemacht, sondern erst vor ein paar Monaten Klage gegen sie eingereicht haben, vielleicht hätte das all die sich daran bereichernden Trittbrettfahrerinnen verhindert – aber es blieb fast bis zum Ende des Verfahrens so: Jede positive Wendung im Prozess oder ein wahrhaftiger Bericht im Spiegel oder in der Zeit wurde postwendend durch eine erfundene Geschichte in einem Burda-Projekt beantwortet, die bei Springer aufmerksamkeitswirksam angeteasert wurde. Die Staatsanwaltschaft, das Gericht und die Dinkel-Fraktion außerhalb der Justiz haben bis zum Schluss mit Geld und Macht um die Meinungshoheit gekämpft – ob alles nur dazu diente, mich zu diskreditieren, oder ob handfeste finanzielle Interessen hinter allem standen und welche, das werde ich hoffentlich noch herausfinden.
Ende des Nachrichtenboykotts
In den ersten zwei Tagen der Freiheit begann ich zaghaft nachzulesen, wie mich die Medien seit dem Bekanntwerden meiner Inhaftierung am 22. März 2010 begleitet beziehungsweise beharkt haben. Nachdem ich das meiste gelesen hatte, empfand ich umso größeren Respekt vor meinen Mitgefangenen und den Stockwerkbeamten, die kein Geheim nis daraus machten, dass sie von meiner Unschuld überzeugt waren. Die Dinkel-Fraktion bei Polizei und Staatsanwaltschaft hatte gemeinsam mit ihren Gewährsmännern und -frauen in den Medienhäusern ganze Arbeit geleistet; mir blieb glatt die Sprache weg.
Schon am ersten Tag, an dem die falschen Vorwürfe bekannt wurden, war eigentlich für die deutschen Medien alles erledigt, mein Grab geschaufelt, wie der Onlinedienst der Schweizer Zeitung 20 Minuten tags darauf berichten konnte (die Klickstrecke ist leider gelöscht worden). Frohlockend war am 23. März 2010 zu lesen: »Die deutsche Presse hat den Spaten gezückt und gräbt für Kachelmann: Die Artikel der Tageszeitungen nach dem Vorwurf der Vergewaltigung gleichen einem Nachruf.« Ja, die Unschuldsvermutung, wozu auch? Selbst der Tagesschau -Chef meines Lieblingssenders äußerte sich am nämlichen Tag beunruhigend: »Natürlich kann man sagen, dass der Haftbefehl schon ein Hinweis darauf ist, dass der Vorwurf nicht völlig abwegig ist.« Hätte ich’s gewusst, hätte ich mir über das Fortbestehen meiner ARD -Moderationstätigkeit schon am 23. März 2010 keine Illusionen mehr gemacht.
Das Groteske daran: Journalisten sehen sich offenbar nicht (mehr) als kritische Begleiter der Justiz, sondern verhalten sich zunehmend wie die Kettenhunde einer oft willkürlichen Justiz, die immer recht haben möchte, koste es menschliche Existenzen, wie es wolle. Am selben 23. März wurde ich in den Medien beruflich erst mal zum Autodidakten downgegradet; dass ich an der Universität Zürich das erste und zweite Vordiplom abgelegt und sämtliche Vorlesungen und Praktika in Sachen Atmosphärenphysik beziehungsweise Meteorologie mit Testat absolviert hatte und lediglich die Schlussprüfung nicht gemacht habe (weil ich schon einen Job hatte), fiel irgendwie unter den Tisch. »Autodidakt« hört sich ein wenig unseriös an und passt besser zum angeblichen Vergewaltiger, den Justiz und Medien mit aller Kraft schon einen Tag nach der Verhaftungsnachricht vor aller Welt aufbauten. Staatsanwaltschaft und Dinkel-Anwalt logen, dass
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