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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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weil ihr behandelnder Psychotraumatologe ihre eklatanten angeblichen Erinnerungslücken (die vorher unter anderem dazu geführt hatten, dass die Aussagepsychologin Greuel die Aussage von Frau Dinkel als nicht vor Gericht verwertbar einstufte) als »traumabedingt« einordnete – ein Versuch, Frau Dinkels Aussagetüchtigkeit für diesen speziellen Moment der angeblichen Vergewaltigung abzusprechen, der helfen sollte zu erklären, warum ihre Aussage so lückenhaft und schlecht war und letztendlich erkennbar darauf abzielte, die vernichtende Expertise von Professorin Greuel außer Kraft zu setzen.
    Professor Seidler wurde im Rahmen der Hauptverhandlung noch durch einige andere Eigenarten bekannt. So gab er vor Gericht an, dass er »Angst riechen könne« und Frau Dinkel ja »stank!« – und das, obwohl der erste Kontakt zwischen Frau Dinkel und Professor Seidler zirka vier Wochen nach dem behaupteten Übergriff stattfand. Dieser von ihm bekundete Gestank kann also kaum auf eine einen Monat zuvor erlebte Angst zurückzuführen sein, viel plausibler scheint eine Angst vor dem unbekannten Therapeuten und die Befürchtung, er könnte ihre Erfindungen durchschauen.
    In seinen Mitschriften machte Professor Seidler sich aufgrund der Erzählungen von Frau Dinkel über Jörg Anmerkungen, die natürlich eher unfreundlich ausfielen – »er starrte – wie Hitler? (Psychopathie?)«. Eine weitere Eigenart war, dass er versuchte , wie er selbst in seiner Stellungnahme beschreibt, in die Aussage von Frau Dinkel korrigierend einzugreifen – offenbar weil ihm die offensichtlichen Widersprüche in ihrer Aussage auch schon aufgefallen waren. Er bemerkte zwar, dass es eigenartig sei, dass eine Frau mit einem angeblich »schweren Trauma«, die »die Küche nicht mehr betreten konnte, weil ich ihn dort sehe mit dem Messer«, aber ohne Probleme ab dem ersten Tag wieder in dem Bett schlafen konnte, in welchem sie angeblich vergewaltigt wurde. Er wundere sich zwar auch darüber, dass Frau Dinkel nach eigenen Angaben jeden Tag Stunden vor dem Computer verbringe, um möglichst alles, was über sie und Jörg geschrieben wurde, zu lesen und zu sehen – aber letztendlich ließ er sich durch nichts von seiner spürbaren Betroffenheit und seinem offenkundigen Mitleid mit Frau Dinkel abbringen.
    Professor Seidler war demnach so sehr von ihren Aussagen über zeugt, dass er am Tag von Jörgs Entlassung mitteilte, dass Hilferufe ernst zu nehmen seien; er erwartete wohl einen blindwütigen Jörg, der nicht nur Frau Dinkel, sondern auch ihn umbringen wollte. So weit hatte sie ihn mit ihren Geschichten gebracht, so tief war er durch seine mangelnde Professionalität und seine fehlende Distanz gesunken.
    Es hat lange gedauert und Schwenn viel Arbeit gekostet, bis die Richter der 5. Großen Strafkammer in Mannheim endlich begriffen hatten (falls sie es denn begriffen), dass sie es hier mit einem Wissenschaftler zu tun hatten, der wiederholt im Gerichtssaal »scharlatanesk anmutendes Gebaren«, wie Schwenn es ausdrückte, an den Tag legte. Da helfen selbst Seidlers viele Publikationen nicht, wenn sie auch so wenig professionell entstanden sein sollten, wie sein Verhalten es in diesem Verfahren war.
    Die Psychotraumatologie ist in Bezug auf Gerichtsverfahren hart umstritten unter den Wissenschaftlern, weil sie entgegen gesicherter und allgemein anerkannter Erkenntnisse Gedächtnislücken regelmäßig als »traumabedingt« erkennen will, und daher ist ihre Forderung nach veränderten Kriterien der Glaubhaftigkeitsprüfung für Traumapatienten nur logisch.
    Diese Forderung wurde richtigerweise höchstrichterlich verworfen.
    Nicht wenige Psychotraumatologen, die sich in Strafverfahren einmischen, mögen es nicht, dass ihre A-priori-Diagnosen, die sie bereits erstellen, wenn das angebliche Opfer vom Opferanwalt das erste Mal vor die Klinik gefahren wird, durch Experten der Aussagepsychologie widerlegt werden. Deshalb behaupten sie gegenüber den Richtern nicht selten, dass es dem »Opfer« (das vorläufig ja nur behauptet, eines zu sein) nicht »zuzumuten sei«, von einem anderen als ihnen selbst begutachtet zu werden.
    »Nach meinem Dafürhalten ist es aus ärztlicher Sicht nicht verantwortbar, erneut eine Begutachtung durchzuführen, insbesondere nicht durch Männer, und insbesondere nicht durch Nicht-Psychotraumatologen, wenn dieses denn der Fall sein sollte.« [ Professor Seidler an den Vorsitzenden Richter Seidlin g ]
    Diese Vorgehensweise führte, wie man

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