Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Kurpfälzer gegen Ausländer, da müssen wir nicht lange forschen. Bei Frau gegen Mann schon überhaupt nicht. Und das Gutachten wird versenkt. Hat halt nicht gepasst. Probieren wir es anders.
Deshalb kam alles das in den Medien nicht vor, was schon frühzeitig hätte die Öffentlichkeit darauf vorbereiten können und müssen, dass der Vorwurf eine Lüge war. Es musste bis zum Schluss »spannend« bleiben, damit sich mit dem Prozess noch Kohle verdienen ließ. Und überhaupt, man konnte jetzt nicht einfach schreiben: Oh, da haben wir uns damals aber getäuscht.
Umso wichtiger war die belächelte Gegenöffentlichkeit der Blogs und Foren, deren Berichterstattung um Lichtjahre vollständiger und durch die Vollständigkeit auch objektiv war. Das Gutachten des Hamburger Rechtsmediziners Prof. Dr. Klaus Püschel, das eindeutig auf Selbstverletzungen und eine intentionale Falschaussage der Nebenklägerin hinwies, ging in der Presseberichterstattung praktisch unter. Püschel sagte zu spät aus, es war schon Abend, und der Höhepunkt des Tages für die schnellfingrigen Sensationsmelder war eine dreiminütige Aussage von Alice Schwarzer, die aus einer Zeugnisverweigerung bestand. Für die meisten Medien war diese Petitesse allerdings die Haupt nachricht, hinter der so dröge Details wie die Erklärungen eines der renommiertesten Rechtsmediziner Deutschlands, des Experten für Selbst verletzungen schlechthin, natürlich zurückstehen mussten. Gisela Friedrichsen vom Spiegel und Sabine Rückert von der Zeit waren die einzigen Gerichtsreporter vor Ort, die diesen Namen verdienten, aber sie repräsentierten Medien, die wegen ihrer wöchentlichen Erscheinungsweise keine laufende Berichterstattung pflegen können.
Die anderen anwesenden Medienvertreter haben ausweislich ihrer Berichterstattung mehr oder weniger alle nichts verstanden von dem, was einen deutschen Strafprozess ausmacht, noch haben sie auch nur ansatzweise irgendetwas von dem verstanden, was in Mannheim passierte. Journalismus ist mehr, als einerseits dem Knabensopran von Staatsanwalt Oltrogge und andererseits Johann Schwenn zuzuhören, um dann ratlos zusammenzuschwurbeln, dass man nichts Genaues wisse und die Wahrheit wohl nie herauskommen werde.
Gutachterkriegsgeheul
Tatsächlich gab es so viele Aktenlecks, dass sich jeder ein eigenes Bild hätte machen können, wenn nicht diese schadenfroh-voyeuristische Partystimmung unter den Gerichtsjournalisten vorgeherrscht hätte, die die Berichterstattung auf eine Story hinauslaufen lässt, bei der es nicht mal selbstverständlich war, dass die Namen und Funktionen der Protagonisten zutreffend wiedergegeben wurden. Das Unvermögen einer kritischen Sichtung war so groß, dass sich fast alle auf den durchaus falschen Nenner einigten, dass es einen »Krieg der Gutachter« gebe. Den gab es nicht, alle waren sich einig, die einzigen Nuancierungen bestanden darin, ob die Spurenlage die Angaben der Anzeigeerstatterin widerlegten oder ihr nur nicht widersprachen. Es ging bei dem ganzen »Krieg« einzig und allein um die Frage, ob der Freispruch mit »in dubio pro reo« begründet werden konnte oder ob das Gericht nicht umhinkommen würde, wegen erwiesener Unschuld freizusprechen (auch wenn diese Begriffe letztendlich Medienfutter sind – in Deutschland gibt es nur einen Freispruch oder keinen, nichts dazwischen). Es gab kein einziges Gutachten, das die Behauptung der Nebenklägerin bewiesen hätte – konnte es logischerweise ja auch nicht geben.
Es gab in Mannheim nie einen Gutachterkrieg. Ein Gutachter, der von der Materie keine Ahnung hatte (der Heidelberger Professor Mattern), rettete sich in ein »Non liquet«, kann so oder so gewesen sein. Alle anderen Gutachter bezogen eindeutig Stellung – und das Verrückte: Fast alle diese Gutachten standen schon vor der Anklage zur Verfügung, weshalb es nur dank der Staatsanwaltschaft und der Medien gelang, sie alle zu verschweigen und bis zum Ende so zu tun, als ob es ein »Einerseits – andererseits« gäbe.
»Es ist sehr schwer vorstellbar, dass, wie von der Verletzten angegeben, der Beschuldigte ihr das Messer in dem insgesamt dynamischen Geschehen wiederholt auch fest andrückend gegen den Hals hält und dabei eine nur recht eng begrenzte Fläche des Vorderhalses in einer ausgesprochenen gleichsinnigen Weise mit gleichartiger Oberflächlichkeit verletzt.« [Gutachten Prof. Markus Rothschild]
Dinkel geriet mit ihrer Falschbeschuldigung in die schwierige Situation, zuerst
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