Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
an erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren und Revisionen ablesen kann, nicht selten zu katastrophalen Fehlurteilen.
Es weihnachtet sehr
So wurde der Dezember 2010 ein guter, na ja, ein besserer Monat. Ich hatte meiner Mutter immer gesagt: »Wenn mich diese Leute unbedingt einsperren wollen, dann möchte ich bis zum Schluss kämpfen und das Gefühl haben, dass die Verteidiger und ich alles getan haben, um gegen das Unrecht zu kämpfen.« Genau das fand jetzt statt, die Liebedienerei mit der Presse war beendet, wir brauchten das nicht, Schwenn behandelte sie alle mit derselben richtigen und wichtigen Verachtung. Legendär für mich war Schwenns erstes Interview beim Gang in den Gerichtssaal, bei dem er auf eine blöde Frage zur Antwort gab: »Was’n das für ’ne blöde Frage?«
Ich will nicht ausschließen, dass ich ohne den Verteidigerwechsel verknackt worden wäre. Die Meinung der Spiege l -Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen, dass es auch unter Birkenstock hätte zu einem Freispruch kommen müssen, teile ich nicht. Nur die Verteidiger und ich haben die Atmosphäre einer geballten, aggressiv anmutenden Entschlossenheit der in Richtung Verurteilung marschierenden Staatsanwaltschafts- und Gerichtsmenschen in den nicht öffentlichen Verhandlungen erlebt, denen erst Schwenn mit seinem Willen zur Öffentlichkeit in die Quere kam. Der Bundesgerichtshof hätte das Urteil wohl aufgehoben, aber selbst das hätte Richter Seidling in Kauf genommen, das war jederzeit zu spüren.
Als wir in die drei Wochen lange Weihnachtspause gingen, fühlte ich mich immerhin nicht mehr so machtlos und elend wie zuletzt. Miriam hatte mit Combé und Schwenn nun zwei Gleichgesinnte für ihren Wunsch nach Offensive, und sie telefonierte regelmäßig mit meinen beiden Verteidigern, manchmal sehr lange, um die nächsten Schritte zu erfahren und eventuelle Fallstricke zu antizipieren. Gut, dass ich später von Gutachter Prof. Dr. Pleines lernte, dass ich entgegen feministischer Klassifizierungen kein Narzisst sei. Das war praktisch, denn so konnte ich es gut aushalten, wenn Miriam nach einem Dreißig-Minuten-Gespräch mit Schwenn diesen fragte, ob er noch mit mir sprechen wolle. Der näselte nur hanseatisch: »Nö, eigentlich nicht.« Ich zog die bereits nach dem Hörer ausgestreckte Hand wieder zurück.
Miriam schrieb weiter Dinge auf, die ihr auffielen und ihr wichtig erschienen, und war während der Vorbereitungsarbeiten zum Plädoyer auch mal in der Kanzlei von Andrea Combé mit dabei. Miriam wurde zusehends entspannter, weil sie nun nicht mehr das kleine nervende Störemädchen des Staranwalts aus Köln war, sondern als Informations- und Ideenquelle außerhalb der Jurisprudenz wahrgenommen und behandelt wurde, mit einem gemeinsamen Ziel: Angriff gegen das System Mannheim. Das wollte ich auch, und so hielt ich es gut aus, dass Johann Schwenn statt mit mir lieber mit der Frau telefonierte, nach deren Aussage mir schon Verteidiger Schroth in Karlsruhe tief beeindruckt dringend geraten hatte, sie zu heiraten.
So hatte ich irgendwie doch wieder drei aggressive Verteidiger. Auf juristischer Ebene Schwenn und Combé, für den Rest der Welt Miriam. Sie hielt mich auch über die Dinge auf dem Laufenden, die im Internet standen. Es gab diverse Foren, die mich unterstützten, davon hatte ich schon im Knast gehört. Und es gab solche, die von der Nebenklägerin wohl nicht nur gelesen, sondern auch mitgestaltet wurden. Ihr Therapeut hatte kundgetan, dass die Nebenklägerin viele Stunden am Computer verbrachte, um ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit zu überprüfen. Seidler hatte vergeblich versucht, den Internetkonsum seiner Patientin zu regulieren. Sie schien süchtig zu sein nach der Publicity, die sie gewonnen hatte: von der Radiomoderatorin zur national bekannten Celebrity, die es vermutlich genoss, endlich jemand zu sein. Dinkels aggressives Siegerlächeln am ersten Prozesstag und die Nummer mit dem Soziopathenbuch, das sie sich bei der Einfahrt zum Landgericht vor die Nase hielt – all das ist für mich nur so zu erklären, dass ihr die Staatsanwälte vorgegaukelt haben müssen, sie werde am Ende gewinnen (anders ist es nicht vorstellbar, dass sie, wie in ihrem Bunte -Interview zitiert, durch das Urteil überrascht und geschockt war – das Gericht hatte an ihrem letzten Aussagetag deutliche Signale ausgesandt, dass ihr Vorhaben scheitern wird). Vielleicht wollte man Dinkel in Sicherheit wiegen, um zu vermeiden, dass sie zusammenbrach und
Weitere Kostenlose Bücher