Rechtsdruck
Partnerin.«
Ludger Brandt, der sich ein paar Minuten zuvor schon von ihnen verabschiedet
hatte, erschien wieder auf der Bildfläche. Im Schlepptau hatte er einen Kollegen.
»Seht mal, wen ich euch mitgebracht habe«, grinste der Kriminalrat.
Die beiden Kommissare drehten sich um und sahen in das schmaler gewordene,
aber gesund aussehende Gesicht von Rolf-Werner Gecks, der wegen einer Krebserkrankung
ein paar Monate nicht im Dienst gewesen war.
»Mensch, RW, dich schickt der Himmel«, freute Lenz sich, und Hain nahm
den von allen geschätzten Kollegen zur Begrüßung sogar in den Arm.
»Nun lasst es aber mal gut sein, Jungs«, mahnte der altgediente Hauptkommissar
sichtlich gerührt, »sonst entsteht bei mir am Ende noch der Eindruck, als hättet
ihr gar nicht mehr mit meinem Erscheinen gerechnet.«
»Wir haben immer mit deiner Genesung gerechnet«, korrigierte Hain,
»und ich schon aus purem Eigeninteresse. Immerhin verteilt sich die Last eines Chefs
wie unserem Paule besser auf mehreren Schultern.«
Gecks winkte ab. »Meine Schultern sind ein bisschen weniger belastbar
geworden, wie man sieht. Aber das soll nicht heißen, dass ich mir für die paar Jahre
bis zu meiner Pension nicht noch was vorgenommen hätte.«
Nun trat auch Lenz auf seinen Kollegen zu und nahm ihn fest in die
Arme. »Echt schön, dass du wieder da bist, RW. Und noch viel schöner, dass es dir
offensichtlich deutlich besser geht als vor einem halben Jahr.«
»Das kann man so sagen, Paul. Leider ist es wie immer im Leben. Man
kriegt etwas, und man muss etwas dafür hergeben. Was es genau ist, das ich geben
musste, das verrate ich euch aber erst nach meiner Pensionierung.«
»Bevor ihr jetzt in einen kollektiven Freudentaumel fallt«, mischte
Brandt sich aus dem Hintergrund ein, »solltet ihr euch lieber mit den Details dieses
unappetitlichen Falls beschäftigen. Ich habe RW auf dem Weg hier hoch schon ein
paar Sachen erklärt, aber das meiste ist noch zu tun.«
Er drehte sich um und deutete auf die offen stehenden Schränke. »Also,
Männer, macht euch an die Arbeit. Je schneller wir Ergebnisse liefern und diesen
Sohn gefasst haben, desto besser stehen wir da, auch in den Medien.«
Ein paar Minuten später war Rolf-Werner Gecks über alle Einzelheiten
des Dreifachmordes an der türkischen Familie informiert und hielt die Papiere in
der Hand, über die Heini Kostkamp und sein Kollege ein paar Stunden zuvor bei der
Sicherung der Spuren gestolpert waren. Ludger Brandt hatte sich ins Präsidium verabschiedet.
»Und das lag alles einfach so im Schrank herum?«, fragte Gecks ungläubig.
»Na ja, es war hinter einer Schublade versteckt«, korrigierte Hain
und deutete auf die Schrankwand. »Dort hatte er alles aufbewahrt, fein säuberlich
geordnet und chronologisch sortiert, wie es sich gehört.«
»Dann hatte er offenbar keine allzu große Angst, dass ihm dieser Betrug
auf die Füße fallen würde«, schloss Gecks aus dieser Tatsache. »Oder besser, warum
denn auch? Diese Nummer mit den verschiedenen Namen ist ziemlich ausgekocht und
dazu auch noch wasserdicht, das muss man ihm lassen.«
»Du meinst also, dass dieser Buchstabendreher kein Versehen gewesen
ist?«
Gecks sah seinen Chef amüsiert an. »Quatsch, das war kein Versehen.
Wenn du ein Konto eröffnest, musst du dich ausweisen, und deine Daten werden dabei
fein säuberlich übernommen. Normalerweise fotokopieren die Banken sogar den Ausweis,
um auf der absolut sicheren Seite zu sein. Immerhin leben wir im 21. Jahrhundert,
in dem es eine ganze Menge böser Buben gibt, die mit herrenlosem Geld üble Dinge
anstellen können. Deshalb muss jedes Konto dem rechtmäßigen Inhaber zuzuordnen sein.«
»Was«, warf Hain skeptisch ein, »stellt ein alter türkischer Schneider
aber für böse Sachen an, RW?«
»Keine Ahnung. Außerdem ist es eure Aufgabe, das herauszufinden.« Er
deutete auf die Papiere in seinen Händen. »Ich mach mich auf die Socken und schaue,
was ich über die Konten in Erfahrung bringen kann. Außerdem spreche ich bei der
ARGE vor und erkundige mich, was man dort über die finanziellen Verhältnisse von
Gökhan Bilgin wusste. Und speziell, was man dort alles nicht gewusst hat.«
»Äh, RW«, wollte Hain sichtlich irritiert wissen, »wer oder was ist
eine ARGE?«
Gecks warf seinem jungen Kollegen einen mitleidigen Blick zu. »Die
ARGE, du Blitzbirne, ist die zuständige Arbeitsgemeinschaft der Stadt Kassel und
der Agentur für Arbeit, die sich um die Betreuung von
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