RECKLESS HEARTS
zu urteilen, schien es das Richtige zu sein.
Es gab Last-Minute-Plätze nach Dublin für 21 Uhr.
Vor ein paar Stunden hatte er noch gedacht, dies sei ein ganz besonders finsterer Tag in seinem Leben und jetzt ... jetzt schien ihn zur Abwechslung das Glück am Kragen gepackt zu haben und ließ hoffentlich nicht mehr los.
Alex kaufte zwei Tickets ... mit klopfendem Herzen und dem Wissen, dass er recht gehabt hatte:
Seine ganze Welt war auf den Kopf gestellt ...
Dezember 2005 Dublin
»Wir möchten zum Odonjus Pub, bitte«, sagte Alex in gebrochenem Englisch. Der Taxifahrer überlegte einige Sekunden mit einem verdutzten Gesichtsausdruck und sah ihn im Rückspiegel an. »Sie meinen O`Donoghue`s? Auf der Merrion Row?«
Alex nickte aufgeregt. »Ja, genau!«
»Alles klar, buddy, dann mal los. Ist `n guter Pub, sehr alt. Gute Musik, gutes Bier. Seid ihr aus Deutschland?«
»Berlin.«
»Aye!«
Ihr Flug war wie im Flug vergangen ...
Sie hatten geknutscht, geredet, Snacks gegessen, Cola getrunken, gelacht, waren ernst geworden und hatten auch mal geschwiegen. Alex hatte auf der engen Boardtoilette ein paar verflixte Tränen verdrückt, weil er mehr Freude als Wut empfand, weil er nach vorne schauen wollte, statt zurück, weil es spät, aber nicht zu spät war, und weil er zum ersten Mal bis über beide Ohren verliebt war und befürchtet hatte, er werde sie nie wiedersehen.
Irre, wie das Leben so spielt.
Aber was erwartete ihn in Irland? Er hatte kaum genug Geduld, es herauszufinden, und seine Nerven lagen blank ...
Zunächst einmal bekamen sie eine ganze Stunde geschenkt!
Als sie auch noch ein paar Palmen in der City entdeckten, war klar, dass noch einige Überraschungen folgen würden.
»Im O‘Donoghue‘s haben sich ‚The Dubliners‘ gegründet. Kennen Sie ‚The Dubliners‘? Irish Folk Music, sehr traditionell.«
Alex kannte sich mit irischer Kultur nicht besonders gut aus. »Nein, leider nicht.«
»Oh, das ist schade. Aber es gibt viele andere gute Bands. Wir Iren lieben Musik. Vielleicht spielt heute Abend eine Live-Band, wenn Sie Glück haben.«
»Das wäre schön«, sagte Alex mit Seitenblick zu Selin, die ihn mit großen Augen anlächelte.
Sie nahm seine Hand und drückte sie, um ihm zu versichern, dass sie bei ihm war und genau da bleiben wollte. Dann blickte sie aus dem Seitenfenster auf das nächtliche Dublin.
Der erste Eindruck war vielmehr ein Gefühl: Diese Stadt hieß sie Willkommen, empfing sie mit einer freundlichen Gelassenheit. Sollten sie Alex‘ Vater nicht finden, würde Dublin sie zu trösten versuchen, da war sich Selin sicher.
Wieder musste sie ihn ansehen.
Alex‘ Augen leuchteten voller banger Vorfreude, während sich die bunten Lichter der Straßenzüge in ihnen spiegelten.
Noch bevor das Taxi hielt, lasen sie den in schwarzen Großbuchstaben auf weißem Grund geschriebenen Namen, der rechts und links von der Zahl fünfzehn flankiert war.
O`Donoghue‘s sah von außen eher wie ein Buchladen als ein Pub aus.
Alex zahlte, während Selin schon aus dem Wagen stieg.
Sie stellte sich auf den Bürgersteig und sah sich um. Die Merrion Row war eine schmale, gut beleuchtete Straße mit niedrigen Gebäuden, von denen die meisten backsteinfarbene Fassaden hatten. Viele kleinere Läden und ein Supermarkt genau gegenüber vom Pub reihten sich aneinander.
»Dann wünsche ich einen wunderschönen Aufenthalt und viel Spaß in Irland«, sagte der Taxifahrer vergnügt, nachdem er aus dem Kofferraum die Rucksäcke herausgenommen und sie ihren Besitzern übergeben hatte.
Alex sah auf einmal besorgt aus. Seine Stirn lag in Falten, die Lippen pressten sich angespannt aufeinander.
»Wir haben nur seinen Namen, sonst nichts ...«, sagte er mutlos.
Selin schulterte ihren Rucksack und lief zur Eingangstür. »Komm, Alex! Wir versuchen‘s einfach!«
Er zögerte. War wie gelähmt.
Wie konnte er nur so blauäugig sein und glauben, in einer Großstadt wie Dublin jemanden nur anhand seines Namens finden zu können. Nur ein Name!
In diesem Augenblick fiel ihm ein, dass in dem kleinen Notizblock seiner Mutter auch eine Telefonnummer gestanden hatte.
Völlig hastig kramte er sein Handy hervor, ließ es beinah fallen, schluckte den Schreck weg und wählte atemlos sein Zuhause an.
Er hatte seine Mutter schon nach dem ersten Klingeln dran. Als er ihr ausreichend versichern konnte, dass bis hierher alles gut geklappt habe und sie nun vor dem berühmten Pub
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