RECKLESS HEARTS
die Straße, bis er bewegungslos liegenblieb. Der Minivan rutschte langsam in seitlicher Position auf sie zu.
Im Wagen konnte mittlerweile außer Alex keiner an sich halten, panische Schreie auszustoßen oder atemlose Schocklaute von sich zu geben. Alle hatten entsetzt mitbekommen, dass sie jemanden angefahren hatten.
Alex registrierte, dass der Wagen nur noch ganz wenig Tempo drauf hatte. Er musste ihn unbedingt zum Stehen bringen, bevor … Er zog die Handbremse an, ließ sie wieder los, zog sie wieder an, ließ sie wieder los ... Knapp zwei Meter vor der angefahrenen Person kam der Minivan endlich zum Stehen. Großer Gott!
Alex sprang sofort heraus und näherte sich über den Eisboden schlitternd dem reglosen Körper, der langgestreckt auf dem Bauch lag.
Er ging auf die Knie nieder, beugte sich vorsichtig über die Person, wollte sie instinktiv berühren, ließ es aber besser sein, vor lauter Angst, er könnte etwas Falsches tun. Er sah, dass es eine Frau war, vermutlich eine sehr junge Frau, die da vor ihm auf der Straße lag.
Alex` Herz überschlug sich. Seine Kehle war wie zugeschwollen, als hätte ihm jemand eine Faust hineingerammt, dennoch versuchte er, die Frau anzusprechen. »Hören Sie mich? Können Sie sich bewegen?«
Als er keine Antwort vernahm, beugte er sich tiefer über sie. Die Frau rührte sich nicht. Dann nahm er allen Mut zusammen und legte Strähne für Strähne ihre rechte Gesichtshälfte frei. Ihre Augen waren geschlossen. Er versuchte mit Zeige- und Mittelfinger ihren Puls am Hals zu erfühlen, bildete sich ein, etwas gespürt zu haben.
»Kitt! Junge! Wir müssen hier weg!« Atilla hatte sich neben Alex gekniet und ihm fordernd eine Hand auf die Schulter gelegt. »Sonst haben wir ein echtes Problem. Komm jetzt! Es war … ein Unfall!« Nun sah auch er völlig fassungslos, wen sie erwischt hatten, und dass die junge Frau kein Lebenszeichen von sich gab. Niklas und Jimmy standen stumm und mit versteinerten Mienen daneben und starrten auf den reglosen Körper herunter. Beide hofften insgeheim, dass sie gleich weiterfahren würden. Sie mussten weiterfahren, verdammt, die Sache mit der Frau war ein Scheißpech für alle Beteiligten, ein blöder Unfall, für den niemand etwas konnte, den niemand gewollt hatte und der jetzt nicht mehr zu ändern war. Sie mussten schnell abhauen, bevor alles noch schlimmer kommen würde. Gleich würde hier die ganze Nachbarschaft auf den Beinen sein und Alarm schlagen, irgendwelche Leute würden schließlich die Bullen und den Notarzt rufen, und das wäre dann womöglich das Ende für die Gang, und die Beute wäre dahin.
»Wir können sie hier nicht so liegen lassen!« Alex sah Atilla mit einem durchdringend ernsten Blick an, der seine ganze Erschütterung, aber auch Entschlossenheit, offenbarte, und erwartete eine Antwort … die richtige Antwort … möglichst schnell!
Atilla schüttelte den Kopf, fuhr sich mit der Hand nervös durch die Haare, rieb sich die Stirn, blickte auf den zierlichen, hilflosen Körper vor sich, checkte dann schnell die Umgebung ab.
Waren schon Zeugen aufgetaucht? Wo war der verdammte Opel abgeblieben? Er konnte ihn nirgends sehen. Alles schien ruhig.
»Atilla!« Alex` Stimme überschlug sich beinah.
Atilla sah ihn unwillig an. »Wir können sie nicht mitnehmen, Alex! Wir dürfen sie nicht bewegen, verstehst du! Vielleicht hat sie einen gefährlichen Bruch … oder … innere Blutungen, die sich verstärken könnten, keine Ahnung, irgendwas in der Art. Irgendwer ruft sicher gleich den Notarzt. Wir müssen hier schleunigst weg! Kitt! Der Plan! Komm schon! Wir dürfen keine Sekunde mehr verlieren. Wir müssen weiterfahren!«
»Ja, Mann, lass uns weiter fahren!«, meldete sich Niklas, der unruhig die Fäuste gegeneinander schlug. Und Jimmy wiederholte denselben Satz wie sein Echo.
Alex hatte das Gefühl, als würde er von einer fremden Macht in die Knie gezwungen. Er war bereit gewesen, ein beachtliches Risiko einzugehen und sich in Gefahr zu begeben, ja. Aber er hätte niemals andere in Gefahr bringen wollen, geschweige denn verletzen oder sogar … Oh nein!
Im selben Moment, indem sich der schrecklichste aller Gedanken in seinem Kopf einnisten wollte, bewegte sich die junge Frau ein wenig und öffnete ihre Augen ... einen Spalt breit. Alex und Atilla zuckten zusammen, hielten gebannt inne. Niklas und Jimmy sahen sich gegenseitig unsicher an, als ob sie nur anhand der Reaktion des anderen über ihre eigenen Gefühle klar
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