RECKLESS HEARTS
hatte ...
Fünf Tage künstliches Koma, danach zwei Operationen am offenen Armbruch, Fixateure in seinem Fleisch, ein Medikamentencocktail aus der Pharma-Hexenküche, Fixierung im Gitterbett mit Gurten über Brust, Hüfte und Beine, geschockte Familienangehörige, ellenlange Ärztediagnosen, Tränen, unwirkliche Träume, Zeitflimmern, Wahnvorstellungen ... Schmerzen in der rechten Seite, Taubheit und Lähmung im linken Arm ... Was ist hier los, fucking shit?, falscher Film: Folter, Gefangenschaft, Horror, Angst, Angst, Angst ...
»Du bist auf der Intensivstation, love. Du hattest einen schweren Unfall ...«, erklärte seine Mutter mit bebender Stimme. Sie musste es einige Male wiederholen, bis es endlich zu ihm durchdrang. »Du bist schwer verletzt.«
Die Worte sackten wie Ziegelsteine in seinen Geist, die erste Erinnerung an die Motorradfahrt vom Flughafen zurück in die City blitzte auf. »Was ist mit meiner Norton?«
Hatte er die Frage wirklich gestellt?
Seine Eltern wechselten ungläubige Blicke. »Sie ist beschädigt«, ließ ihn sein Vater wissen. Augenblicke vergingen. Seine Gedanken versuchten sich an der Normalität.
»Na ja, dann flick ich sie eben wieder zusammen«, nuschelte er. »Hab ich schon öfter gemacht.«
»Nein, mein Junge«, hielt sein Vater mit ernstem Gesichtsausdruck dagegen. »Da kann man nichts mehr machen. Der Aufprall war viel zu heftig.«
Die hellen Momente, die Blackouts und die Halluzinationen wechselten sich ab wie ein makabres Tagesprogramm der Hölle.
Shane McCaun wünschte sich den Tod, wünschte sich, nicht überlebt zu haben, war mitten in einem Albtraum, erkannte manchmal weder Vater noch Mutter, verstand nichts von dem, was die Weißkittel mit den diabolischen Hörnern über ihn sprachen, lief durch einen endlosen Nebel und durch Sümpfe, in denen Krokodile nach ihm schnappten, spürte Schmerzen, aber immer nur rechts, spuckte und trat mit dem rechten Fuß gegen die Gitter an seinem Bett, schrie nach Freiheit, wurde noch fester fixiert, bekam eine Elefantendosis »WTF« gespritzt, schlief, schlief nicht, aß, aß nicht, pinkelte in einen Katheter und musste nach den Schwestern rufen, wenn er den Darm entleeren wollte, musste sich erniedrigen und demütigen lassen, bettelte seinen Vater um ein Messer an ... bettelte um den Tod, und doch kämpfte das Leben um ihn, ließ ihn nicht los, hielt ihn fest mit Hilfe der Liebe seiner Eltern, Freunde und auch dem ganzen Klinikteam, das sich rührend um ihn kümmerte ... besonders Schwester Annie. »Du hast Rippenbrüche, Shane, und durch die Hirnblutungen hast du eine linksseitige Lähmung, es ist vor allem dein linker Arm, Lähmung und Bruch zugleich, verstehst du«, erklärte sie ihm, während sie ihm einen Löffel Kartoffelpüree in den Mund schob. Er drehte plötzlich den Kopf weg und schleuderte mit einer Handbewegung das ganze Tablett mit dem Essen zu Boden, schmiss den Infusionsständer um und brüllte um Hilfe, bis ihm die Kraft ausging.
Skurril gekleidete fremde Personen standen manchmal in seinem Zimmer herum und starrten ihn mit ihren maskenhaften Gesichtern an, jagten ihm Todesangst ein, und er zog die Bettdecke höher, winselte und weinte, glaubte weder Schwester Annie noch den anderen Krankenschwestern, dass diese Personen mit ihren schwarzen Umhängen und Kapuzen nicht existierten.
Die Fixateure in seinem linken Arm wurden nach einigen Wochen endlich entfernt, der Arm eingegipst, die Medikamentendosen nach und nach reduziert und damit verschwanden auch die Wahnvorstellungen. Ganz allmählich kam er zu sich, begriff, dass von seinem wilden Leben nicht mehr viel geblieben war, und dass er ohne die Hilfe von anderen nicht mal zähneputzen oder sich rasieren konnte.
Durch seine immer drängendere Nachfrage erfuhr er von seinen Eltern den genauen Unfallhergang, den man ihm bis dato mit Rücksicht auf seinen Zustand verschwiegen hatte: Drei Jugendliche in einem Kleinwagen hatten mit erhöhter Geschwindigkeit vor der Ausfahrt auf die M1 einen Spurwechsel versucht, die Kontrolle über den Wagen verloren, dabei in ihrer Panik viel zu stark abgebremst, und er sei von hinten kommend mit voller Wucht aufgeprallt, sei Kopf voran gegen die Heckscheibe geflogen und schließlich in die Benzinpfütze seines Motorrads gefallen. Er habe großes Glück gehabt, dass er nicht auch noch überfahren worden sei ... aber leider, tja, einer der drei Jugendlichen, ein Fünfzehnjähriger namens Neill Colan sei später im Krankenhaus
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