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RECKLESS HEARTS

RECKLESS HEARTS

Titel: RECKLESS HEARTS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Janket
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hinterher, ihre Umhängetasche fest im Griff, als müsste sie sich an etwas Vertrautem festklammern.
    Das merkwürdig altmodische Wohnzimmer passte zum Flur, oder umgekehrt. Auch die grauhaarige Frau im gelbgrün gemusterten Ohrensessel passte zusammen mit ihrer zierlichen Gestalt und der verfilzten Wolldecke im Schottenmuster auf wundersame Weise in das Ambiente, nicht aber zu ihrem stattlichen Sohn - so rein optisch betrachtet ... Ihre ganze Erscheinung war irgendwie seltsam, als sei eine noch nicht wirklich alte Frau auf ältlich gemacht. Selin fielen solche Dinge sofort auf. Gesichter waren ihr Spezialgebiet.
    Alex übernahm die förmliche Vorstellung.
    »Mama, das ist ... Selin«, sagte er, sein Puls machte einen unerwarteten Bocksprung.
    Selin näherte sich Alex‘ Mutter und streckte ihr die Hand entgegen. »Ähm, Hallo, Frau Böller«, sagte sie freundlich lächelnd.
    »Oh, nein, ich gebe Ihnen besser nicht die Hand, Liebchen, sonst stecke ich sie noch mit meiner bösen Grippe an. Aber setzen Sie sich doch, bitte.« Sylvie lächelte zaghaft, während Selin ihrer freundlichen Aufforderung nachkam und sich ihr gegenüber auf der Couch niederließ. Ihr Blick flüchtete zu Alex, der immer noch steif dastand.
    »Kann ich dir einen Tee oder Kaffee machen?«, fragte er höflich.
    Noch bevor Selin etwas erwidern konnte, entgegnete Sylvie aufgeregt: »Aber natürlich! Was möchten Sie trinken? Etwas Warmes tut Ihnen sicher gut. Es ist eiskalt da draußen und auf Alex‘ Motorrad war es sicher nicht besser, stimmt‘s?«
    Selin schüttelte verlegen den Kopf. »Machen Sie sich bitte keine Umstände.«
    Mit einer erhobenen Hand wiegelte Sylvie ab. »Ach was, Umstände! Das sind doch keine Umstände. Da seien Sie mal ganz beruhigt, Liebchen.«
    Alex musterte seine Mutter mit leichter Skepsis. Entweder sie spielte gerade Heiterkeit vor oder sie war über den unerwarteten Besuch wirklich erfreut. Auch wenn sie immer wieder ihre Nase putzte und seufzend schniefte, so lächelten ihre braunen Augen warm und freundlich und gaben Selin das gute Gefühl, willkommen zu sein.
    »Also, was darf Alex Ihnen bringen, hm?«
    Schüchtern klemmte Selin die Hände zwischen ihre Schenkel. »Wenn es nichts ausmacht ... nehme ich gerne einen Tee.«
    »Schwarzen nehm ich an?« Sylvie hob gespannt die Augenbrauen.
    Selin stutzte und nickte anschließend. »Ja, bitte.«
     
    Alex eilte aus dem Wohnzimmer und überließ die beiden Frauen notgedrungen ihrer selbst. In der Küche atmete er erst einmal tief durch und setzte anschließend den Wasserkocher in Gang. Während er wartete, lehnte er mit einer Schulter gegen die Wand, schloss die Augen und hatte eine plötzliche Eingebung: Das Computerspiel, an dem er seit Wochen mit Unterbrechungen arbeitete, brauchte einen X-Faktor, ein nicht berechenbares Element, das sich, nach einem vom User abhängigen Zufallsprinzip, selbst generierte, ähnlich wie Mutationen im Laufe der Evolution. Das war es! Die Idee, nach der er so lange gesucht hatte, und ausgerechnet jetzt war sie ihm gekommen. Gut möglich, dass es etwas mit diesem verrückten Tag zu tun hatte. Zufrieden lächelnd nahm er zwei Tassen aus dem Schrank.
     
    Als er mit dem Tee ins Wohnzimmer zurückkehrte, konnte er erleichtert feststellen, dass eine Unterhaltung zwischen seiner Mutter und Selin in Gang gekommen war. Sylvie, die seit geraumer Zeit den Kontakt zu anderen Menschen mied, schien nichts gegen die Anwesenheit der unbekannten jungen Dame zu haben, was ja durchaus nicht absehbar gewesen war.
    »Ich habe deiner Freundin gerade erzählt, dass du deine arme Mutter tagelang allein gelassen hast, sogar am zweiten Advent, und ich in dieser Zeit zum wiederholten Male ‚Krieg und Frieden‘ gelesen habe - vollständig wohlgemerkt!.« Sie kicherte merkwürdig in sich hinein, was sich anhörte wie das Keckern eines Jungraben.
    Alex stellte die Teetassen auf dem Tisch ab und verzog unbewusst einen Mundwinkel zu einem genervten Ausdruck. »Wir haben ständig telefoniert, Mama! Und, warum liest du nicht mal was Leichtverdauliches?« Er rang sich ein Schmunzeln ab. »Bücher, die ein Happy End haben, und wo keiner ins Gras beißen muss, nachdem sein Leben schon eine Qual war?«
    Auf diese Bemerkung hin musste Selin ihn spontan anlächeln, doch er erwiderte ihr Lächeln nicht, und sie verscheuchte ihres so schnell, wie es gekommen war.
    Einen merkwürdigen Moment lang schwiegen alle drei.
    »Wenn man nicht mehr viel mit der Welt da draußen zu tun

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