- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond
Tochter gefeiert wurde, fortbringen musste.
Er schaute sich um, überlegte, wo sein Haus war, und entdeckte es. Mit einem Ruck riss er sich von ihr los. »Geh zurück und amüsier dich«, befahl er ihr.
Mehr väterlichen Rat konnte er nicht aufbieten, und ohne noch einmal in ihre Richtung zu blicken, torkelte er los, machte aber den Eindruck, dass er vor dem Haus vielleicht noch eine kleine Pause einlegen sollte, ehe er die Leiter zu erklimmen versuchte.
Auf dem Weg zurück zum Dorfplatz sah Valerie zwei kleine Mädchen, die Arm in Arm gingen und achtgaben, dass sie einander in der Menge nicht verloren. Das erinnerte sie an ein Fest, das ihre Familie besucht hatte, als Lucie und sie noch klein waren. Ihr Vater hatte sie in seinen Armen herumgewirbelt, und später hatte ihre Mutter sich zu ihnen heruntergebeugt und sie mit mundgerechten Bratenstücken gefüttert wie eine Vogelmutter ihre Jungen.
»Ich wünschte, ich könnte so aus mir herausgehen wie Rose«, schrie Prudence gegen die Musik an und kam auf sie zugetänzelt. Selbst beim Tanzen bewahrte sie ihre tadellose Haltung.
Valerie wusste sofort, worauf sie anspielte, und mit einem
unbehaglichen Gefühl im Bauch drehte sie sich um, um nach Peter und Rose zu sehen. Sie schlang gerade die Arme um seinen Hals. Und er hob die Hände und griff in ihr dunkles Haar, das seinem ähnlich war, was seine Geste irgendwie noch intimer und zu einem noch größeren Verrat machte als das, was ihre Körper taten. Die Kapelle spielte und feuerte die beiden johlend an, was Rose nur dazu ermunterte, sich noch mehr ins Zeug zu legen. Peter hielt den Kopf gesenkt. Valerie hatte das Gefühl, Rose wollte sie Henrys wegen bestrafen – obwohl sie doch gar nichts dafür konnte.
Valerie wünschte ihnen den Tod. Sie wusste nicht, wen sie mehr hasste, Peter oder Rose. Während sie die beiden beobachtete, verschwamm ihr plötzlich alles vor den Augen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Prudence und legte ihr die Hand auf den Rücken.
»Ja.«
»Ich frage mich, ob wir nicht einschreiten sollten. Sie ruiniert sich ihr letztes bisschen Ruf, wenn sie ausgerechnet mit ihm tanzt.« Prudence klemmte sich eine Strähne ihrer braunen Haare hinters Ohr.
Valerie sah, dass das Freudenfeuer noch größer geworden war. Die Flammen schlugen hoch empor und warfen zuckende lange Schatten über den Platz. »Nein«, erwiderte sie finster. »Soll sie doch tun, was sie will.«
In diesem Moment kam ein Glaser vorbei, der im Gehen aus einer Bierflasche trank und wegen der vielen Blätter, die in seinem Gesicht klebten, kaum zu erkennen war.
Valerie riss ihm die Flasche aus der Hand, legte den Kopf zurück und schüttete sich das würzige Gebräu in den Mund. Sie ließ sich den gesamten Inhalt der Flasche durch die
Kehle rinnen. Als sie absetzte, hatte sie das Gefühl, durch die Luft zu schweben.
Sie packte Prudence, zog sie in den Schein der ungezügelten Flammen und brach mit ihr in einen wilden Tanz aus.
Sie stellten sich einander breitbeinig gegenüber und beugten sich vor, tauchten tief hinab, wirbelten ihre langen Haare im Kreis und richteten sich wieder auf. Zwei stampfende Schritte vor, zwei zurück. Dann drei Schritte vor, sodass sie sich Auge in Auge, Brust an Brust wiederfanden. Valerie, die nie viele Gedanken an ihren Körper verschwendet hatte, tanzte unbefangener als Prudence und die anderen Mädchen, und sie schüttelte sich, als sei ein mächtiger Geist in sie gefahren.
Valerie und Prudence dachten nicht darüber nach, in welche Richtung sie sich drehen sollten oder in welche die andere sich drehen würde. Sie taten es einfach und es gelang. Leichtfüßig und beschwingt wirbelten sie im Kreis, hoben ihre Röcke und ließen ihre Hände schweben, bis sie einander fanden. Ihre Blicke verschmolzen ineinander und Geheimnisse funkelten in ihren Augen. Die Verbundenheit mit ihrer Freundin heiterte Valerie auf.
Unterdessen wich Peter Rose nicht von der Seite und sie schürzte ihren Rock und zeigte ihre Beine. Obwohl Valerie und Peter unterschiedlich tanzten und ihre Körper auf verschiedene Weise bewegten, tanzten beide denselben Tanz. Es war der Tanz der Eifersucht, der so alt war wie die Welt.
Verstohlene Blicke flogen hin und her, vorbei an den Leibern eines tanzenden Paars, das zwischen ihnen kreiselte. Valerie beobachtete Peter und Peter beobachtete sie, und beide gaben vor, es nicht zu tun.
Zack!
Unbemerkt von Valerie, war Henry auf sie zugewankt, in der Hand einen Krug, aus dem Bier
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