Reden ist Silber, Kuessen ist Gold
Er glaubte von ihr nur das Schlechteste. Wenn er die Wahrheit über Erin herausfand, würde er wissen, dass sie ihn nicht belogen hatte. Aber sie hatte das dumpfe Gefühl, dass das die schwierige Situation zwischen ihnen auch nicht wesentlich verbessern würde.
Mitch stand in der Mitte des Stalls. Der Geruch von Pferden und Heu war genau so, wie er ihn in Erinnerung hatte, aber dennoch fühlte er sich völlig fehl am Platz. Alles, was er früher immer als selbstverständlich betrachtet hatte, schien ihm jetzt nur noch aufzuzeigen, was er alles nicht tun konnte. Reiten? Er käme gar nicht auf ein Pferd, ganz zu schweigen davon, es zu lenken.
Reiten hätte so einfach sein sollen. Er könnte einen Hocker zu Hilfe nehmen, sodass er sich nicht mit dem linken Bein abstützen müsste, während er das rechte über den Sattel schwang. Aber er war nicht in der Lage, auf seiner Prothese das Gleichgewicht zu halten. Und einmal auf dem Pferd, hätte er keine Kontrolle über seine linke Ferse.
Die immer unter der Oberfläche schwelende Frustration bahnte sich ihren Weg nach oben. Was sollte er denn jetzt mit sich anstellen? Im Truck herumfahren wie ein alter Mann?
»Ich hab hier was für dich.«
Er drehte sich zu der Stimme um und sah Arturo, der einen Braunen in die Stallgasse führte. Der Wallach war groß und bewegte sich anmutig und leicht.
Mitch trat einen Schritt zurück. Mit der Hacke blieb er an einem Bodenbrett hängen und wäre fast rückwärts ins Heu gefallen.
»Das hier ist Bullet«, sagte Arturo und streichelte die Nase des Pferdes. »Er ist so trainiert worden, dass du von der rechten Seite aus aufsteigen kannst. Du musst auch nur deine rechte Ferse benutzen, um ihn zu führen. Er ist stark und schnell, mit einem kleinen Hitzkopf. Ich dachte, das habt ihre beide gemeinsam.«
Mitch ballte seine Hände zu Fäusten. »Ich brauche deine Hilfe nicht«, grummelte er.
»Vielleicht nicht, aber ich biete sie dir trotzdem an. Ich habe ihn von deinem Geld gekauft.«
Das hätte ihn eigentlich lächeln lassen sollen, aber Mitch war nicht nach Humor zumute. Er hasste alles an der Ranch. Die Hühner, die organisch gehaltenen Rinder, deren einzelne Schritte im Leben dokumentiert wurden. Er hasste es, dass der Strumpf an seinem Stumpf jede Nacht blutdurchtränkt war und dass die Albträume ihn vom Schlaf abhielten. Er hasste es, dass er so dankbar dafür gewesen war, überlebt zu haben, nur um dann herauszufinden, dass nichts in seinem Leben mehr so war, wie er es wollte.
»Du willst wieder reiten«, sagte Arturo zu ihm. »Das weiß ich.«
»Halte dich aus meinem Leben raus.«
Ein angespannter Zug legte sich um den Mund des alten Mannes. »Fein«, sagte er und ließ die Zügel fallen. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ließ Mitch und das Pferd alleine in der Stallgasse zurück.
Mitch fühlte sich wie ein Idiot. Er wusste, dass Arturo ihm nur helfen wollte, aber da gab es so viel ...
Er hörte Schritte und war überrascht, dass Arturo umgekehrt war. Aber als er zum Eingang schaute, sah er eine andere Silhouette.
»Du bist ein noch viel größerer Arsch, als ich gedacht habe«, sagte Skye, als sie den Stall betrat. »Fühlst du dich besonders männlich, wenn du den Menschen wehtust, die dich lieben?«
Sie war wirklich der letzte Mensch, den er jetzt sehen wollte. Schlimmer noch, sie hatte einen Teil von ihm gesehen, den er nicht immer unter Kontrolle hatte.
»Er liebt dich«, sagte sie. »Er will, dass du das weißt.« Sie streichelte den Hals des Pferdes. »Komm schon, Mitch. Warum ist das so schlimm?«
»Arturo geht es gut. Er kann auf sich selbst aufpassen.«
»Aber er sollte es nicht müssen, denn du bist seine Familie.«
»Geh einfach«, bat er sie.
Sie ging weiter auf ihn zu, bis sie schließlich direkt vor ihm zum Stehen kam. »Willst du mich dazu zwingen? Du hast den Gipfel dessen, was du an schlimmen Sachen zu mir sagen kannst, schon erreicht. Was kommt als Nächstes? Wirst du mich schlagen? Es wirkt so, als wenn du jemanden schlagen willst, also wieso nicht mich? Habe ich es nicht verdient?«
»Du magst es ein bisschen grober dieser Tage, was?«, schnaubte er.
Sie errötete, wich aber nicht zurück. »Ich weiß, dass einige Aspekte deines Lebens echt beschissen sind. Aber du bist wenigstens nach Hause gekommen. Das ist es, was zählt. Du hast Menschen, die sich über deine Rückkehr freuen. Das zählt noch mehr. Was mich interessieren würde: Hast du eigentlich einen Zeitplan für deine
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