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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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wußte, wieviel ich darum gegeben hätte, die zwei Ergebnisse umzukehren.
     
    Clare sagte: »Mir scheint, du hast das falsche gewonnen.«
    »Tja.«
    »Ist das schlimm?«
    »Das werde ich am Montag herausfinden.«
    »Gut … vergessen wir’s.«
    »Das wird nicht schwer sein«, sagte ich. Ich sah auf den adretten dunklen Mantel, die weiße Bommelmütze, die hohen glänzenden Stiefel. Sah die großen grauen Augen und den freundlichen Mund. Unglaublich, dachte ich, daß so jemand vor dem Waageraum auf mich wartete. Was ganz schön anderes, als sich alleine auf den Heimweg zu machen. Wie ein Feuer in einem kalten Haus. Wie Zucker auf Erdbeeren.
    »Würde es dir viel ausmachen, wenn wir einen Umweg machen?« sagte ich. »Ich möchte nämlich gerne kurz bei meiner Großmutter vorbeischauen.«
     
    Der alten Frau ging es deutlich schlechter. Sie war nicht mehr aufrecht gebettet, sondern lag kraftlos zurückgesunken in ihren Kissen, und sogar ihre Augen schienen den Kampf aufzugeben und versprühten nichts mehr von der wachen Aggressivität.
    »Hast du sie mitgebracht?« sagte sie.
    Immer noch keine Begrüßung, keine Einleitung. Es war vielleicht falsch, von dem äußerlichen Wandel auf einen Wandel ihrer inneren Einstellung zu schließen. Vielleicht hatte sich meine Einstellung zu ihr gewandelt … und unverändert waren nur ihre Haßgefühle mir gegenüber geblieben.
    »Nein«, sagte ich. »Ich habe sie nicht mitgebracht. Sie ist verschollen.«
    »Du hast gesagt, du findest sie.«
    »Sie ist verschollen.«
    Sie hustete schwächlich, die schmale Brust zuckte. Ihre Augenlider schlossen sich ein paar Sekunden und öffneten sich dann wieder. Eine schwache Hand zupfte an dem Laken.
    »Vermach James dein Geld«, sagte ich.
    Mit einem schwachen äußerlichen Echo ihrer inneren Sturheit schüttelte sie den Kopf.
    »Dann vermach einen Teil einem Wohltätigkeitsverein«, sagte ich. »Vermach es einem Hundeasyl.«
    »Ich kann Hunde nicht ausstehen.« Ihre Stimme war schwach. Ihre Überzeugungen nicht.
    »Wie wär’s mit der Lebensrettungsgesellschaft für Seeleute?«
    »Kann das Meer nicht ausstehen. Werde seekrank.«
    »Medizinische Forschung?«
    »Hat mir nicht gerade weitergeholfen.«
    »Also dann«, sagte ich zögernd, »könntest du es vielleicht einer religiösen Vereinigung hinterlassen.«
    »Bist du verrückt? Ich kann Religion nicht ausstehen. Verursacht nur Ärger. Führt zu Kriegen. Keinen Pfennig bekommen die von mir.«
    Ich nahm unaufgefordert im Sessel Platz.
    »Kann ich irgend etwas für dich tun?« fragte ich. »Außer Amanda finden, natürlich. Soll ich dir irgendwas besorgen? Möchtest du irgend etwas haben?«
    Sie ließ ein schwaches Schnauben hören. »Glaub nur nicht, daß du dich bei mir einschmeicheln kannst, damit ich dir Geld vermache, denn das tue ich nicht.«
    »Ich würde einer sterbenden Katze Wasser geben, selbst wenn sie mir ins Gesicht spuckt.«
    Ihr Mund öffnete sich und erstarrte angesichts dieser Beleidigung.
    »Was … fällt dir … ein?«
    »Was fällt dir ein, immer noch zu glauben, ich würde für dein Geld auch nur einen Finger krumm machen?«
    Die Lippen schlossen sich zu einem dünnen Strich.
    »Kann ich dir etwas besorgen?« wiederholte ich ruhig. »Willst du irgend etwas haben?«
    Sie antwortete zunächst nicht und sagte dann: »Geh.«
    »Ja, gleich«, sagte ich. »Aber ich möchte dir zuerst noch etwas anderes vorschlagen.« Ich wartete kurz, aber da sie nicht sofort widersprach, fuhr ich fort: »Willst du nicht vielleicht einen Treuhänderfonds für Amanda einrichten, für den Fall, daß sie doch noch gefunden wird? Leg das Kapital fest, und setz massenhaft gute Treuhänder ein. Regle es so, daß sie selbst nicht an das Geld herankann … und auch kein anderer, der … vielleicht … hinter ihrem Geld her ist. Regle es so, daß niemand außer Amanda davon profitieren kann … durch ein Einkommen, das nur auf Anordnung der Treuhänder ausgezahlt wird.«
    Sie beobachtete mich mit halb gesenkten Augenlidern.
    »Wo immer sie auch sein mag«, sagte ich, »fest steht, daß Amanda nicht älter als siebzehn oder achtzehn ist. Zu jung, um ohne Absicherung eine Menge Geld zu erben. Hinterlaß es ihr … mit einer eisernen Absicherung.«
    »Ist das alles?«
    »Mhm.«
    Sie lag ruhig und unbeweglich da.
    Ich wartete. Ich hatte mein ganzes Leben darauf gewartet, daß meine Großmutter mir etwas anderes als Bosheit entgegenbrachte. Ich konnte ewig warten.
    »Geh jetzt«, sagte sie.
    Ich stand auf

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