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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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intensiv, turbulent. Und es schien ihr genauso zu gefallen wie mir.
    »Wo bleibt der Katzenjammer, den man angeblich kriegt?« sagte sie spät in der Nacht. »Die post… wie heißt das doch gleich?«
    »Der kommt am Morgen, wenn du fährst.«
    »Das ist noch Stunden hin.«
    »Genau.«
     
    Der Morgen kam wie immer. Ich fuhr sie zum Bahnhof, damit sie einen Zug nehmen konnte, und machte mich selbst nach Lambourn auf. Als ich dort ankam, schaute ich, bevor ich zu Harold ging, erst einmal bei meinem Haus vorbei. Alles schien ruhig. Alles kalt. Alles seltsam fremd, als ob mein Zuhause nicht mehr die natürliche Zufluchtstätte war, die es sein sollte. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie kahl es war, sah ich die emotionale Kälte, die Jeremy bei seinem ersten Besuch sofort aufgefallen war. Es schien nicht mehr zu mir zu passen. Der Mensch, der dieses Zuhause geschaffen hatte, war am Verschwinden, entfernte sich in die Vergangenheit. Ich empfand eine seltsame Nostalgie … aber er ließ sich nicht zurückrufen. Der Reifungsprozeß war schon zu weit fortgeschritten.
    Leicht fröstelnd breitete ich verschiedene Fotos von verschiedenen Leuten auf dem Küchentisch aus und bat dann meine Nachbarin, hereinzukommen und sie sich anzusehen.
    »Nach was soll ich suchen, Mr. Nore?«
    »Nach jemand, den Sie kennen.«
    Gehorsam sah sie sich ein Bild nach dem anderen an und hielt ohne zu zögern bei einem Gesicht inne.
    »Wie sonderbar!« rief sie aus. »Das ist der Mann, der wegen der Steuer hier war. Der, den ich hier reingelassen hab. Die Polizei war ziemlich sarkastisch deswegen, aber ich hab denen gesagt, daß man wirklich nicht damit rechnet, daß jemand sagt, er ist der Steuerbeamte, wenn er gar keiner ist.«
    »Sie sind sicher, daß das der Mann ist?«
    »Ganz sicher«, sagte sie nickend. »Er hatte genau denselben Hut auf und alles.«
    »Schreiben Sie das dann bitte hinten auf das Foto drauf, Mrs. Jackson?« Ich gab ihr einen schwarzen Filzstift, mit dem man gut auf das Fotopapier schreiben konnte, und diktierte ihr den Text, der besagte, daß dieser Mann, am Freitag, den siebenundzwanzigsten November, beim Haus von Philip Nore aufgetaucht war und sich als Steuerbeamter ausgegeben hatte.
    »Ist das alles?« fragte sie.
    »Noch Ihre Unterschrift, Mrs. Jackson. Und würden Sie bitte die ganze Aussage auch auf die Rückseite dieses Fotos hier schreiben?«
    Sie schrieb konzentriert. »Geben Sie die der Polizei?« sagte sie. »Ich will eigentlich nicht mehr von denen belästigt werden. Kommen die nochmal mit ihren Fragen?«
    »Ich glaube kaum«, sagte ich.

20
    Victor Briggs war mit seinem Mercedes gekommen, aber er fuhr mit Harold im Landrover hinauf in die Downs. Ich ritt auf einem Pferd. Die Morgenarbeit wurde zur allgemeinen Zufriedenheit absolviert, und jeder kehrte auf seine Weise zum Hof zurück.
    Als ich in den Hof ritt, stand Victor Briggs wartend bei seinem Auto. Ich glitt vom Pferd und übergab es der Obhut eines Stallburschen.
    »Steigen Sie ein«, sagte Victor.
    Wortkarg wie immer. Er trug seine übliche Kleidung, seine Handschuhe gegen den kühlen Wind, und verfinsterte den Tag. Wenn ich in der Lage wäre, seine Aura wahrzunehmen, wäre sie schwarz, dachte ich.
    Ich setzte mich vorne auf den Beifahrersitz, wo er hinzeigte, und er selbst schob sich neben mich hinters Steuer. Er ließ den Motor an, löste die Handbremse, stellte die Automatik auf Fahrt. Das ruhige Metallgehäuse glitt langsam aus Lambourn hinaus, zurück in die Downs.
    Er hielt auf einem breiten Grasstreifen an. Von hier aus konnte man halb Berkshire überblicken. Er stellte den Motor ab, lehnte sich in seinem Sitz zurück und sagte: »Also?«
    »Wissen Sie, wovon ich reden werde?« fragte ich.
    »Mir kommt manches zu Ohren«, sagte er. »Mir kommt viel zu Ohren.«
    »Das weiß ich.«
    »Mir ist zu Ohren gekommen, daß den Relgan seine Schläger auf Sie losgelassen hat.«
    »Ach ja?« Ich sah ihn interessiert an. »Wo haben Sie das gehört?«
    »Spielclub«, sagte er mit verkniffenem Mund.
    »Was haben Sie denn gehört?«
    »Es stimmt doch?« sagte er. »Man hat die Spuren am Samstag noch gesehen.«
    »Haben Sie was über die Gründe gehört?«
    Er verzog den Mund zu einem unterdrückten Lächeln.
    »Mir ist zu Ohren gekommen«, sagte er, »daß Sie den Relgan erheblich schneller aus dem Jockey Club hinausbefördert haben, als er hineinkam.«
    Als er sah, wie ich erschrak, zuckte er wieder mit den Lippen, in einem weniger gelungenen Versuch, seine

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