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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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mir künftig berichten könnten.«
    »Um was geht’s?«
    »Um Danas Drogen.«
    »Dummes Stück. Sie will einfach nicht hören.«
    »Das wird sich bald ändern. Sie ist immer noch … zu retten. Und außer ihr noch …«
    Ich erzählte ihm, was ich wollte. Er hörte aufmerksam zu. Als ich fertig war, erntete ich ein verkniffenes Lächeln. »Neben Ihnen ist George Millace der reinste Anfänger«, sagte er.
     
    Victor fuhr mit seinem Auto davon, und ich ging zu Fuß über die Downs nach Lambourn zurück.
    Ein sonderbarer Mann, dachte ich. Ich hatte in einer halben Stunde mehr über ihn erfahren als in sieben Jahren, und wußte immer noch so gut wie nichts. Trotzdem hatte ich von ihm bekommen, was ich wollte. Ganz freiwillig. Er hatte mir meinen Job gelassen, ohne jede Bedingung, solange ich ihn haben wollte … und mir in einer anderen Angelegenheit weitergeholfen, die genauso wichtig war. Das war nicht nur geschehen, weil ich den Brief besaß, dachte ich.
    Während ich über die windigen, kahlen Hügel nach Hause ging, dachte ich an alles, was in den letzten paar Wochen passiert war. Nicht an George und seinen Sprengstoff, sondern an Jeremy und Amanda.
    Weil Jeremy so hartnäckig war, hatte ich nach Amanda gesucht, und weil ich nach Amanda gesucht hatte, hatte ich eine Großmutter, einen Onkel und eine Schwester kennengelernt. Ich wußte jetzt etwas über meinen Vater. Ich hatte ein Gefühl für meine Herkunft, das ich vorher nicht besessen hatte.
    Ich hatte Angehörige. Angehörige wie jeder andere auch. Sie waren nicht unbedingt liebevoll oder lobenswert oder erfolgreich, aber sie existierten. Ich hatte sie nicht gewollt, aber jetzt, da ich sie hatte, waren sie fest wie Grundsteine in meinem Kopf verankert.
    Weil ich nach Amanda gesucht hatte, hatte ich Samantha gefunden und damit ein Gefühl der Kontinuität, der Zugehörigkeit. Ich sah das Muster meiner Kindheit aus einer anderen Perspektive, nicht als zerstückeltes Kaleidoskop, sondern als Kurve. Ich kannte einen Ort, wo ich gelebt hatte, eine Frau, die mich als Kind gekannt hatte, und von da aus schien ein glatter Weg zu Charlie zu führen.
    Ich trieb nicht länger mit der Flut.
    Ich hatte Wurzeln.
    Ich erreichte die Stelle auf dem Hügel, von der aus ich auf mein Haus hinuntersehen konnte, den Vorsprung, den ich von meinem Wohnzimmerfenster aus sah. Ich blieb stehen. Ich sah fast ganz Lambourn vor mir liegen. Ich konnte Harolds Haus und den Hof sehen. Konnte die ganze Häuserreihe sehen, mit meinem Haus in der Mitte.
    Ich hatte zu diesem Dorf gehört, war ein Teil davon gewesen, hatte sieben Jahre lang seine Intrigen geatmet. Hatte glückliche Zeiten durchgemacht, unglückliche, normale. Es war das, was ich mein Zuhause genannt hatte. Aber nun war ich im Herzen und im Geist dabei, den Ort zu verlassen … und bald würde ich mich auch körperlich entfernen. Ich würde an einem anderen Ort leben, mit Clare. Ich würde Fotograf werden.
    Die Zukunft lag in mir; sie wartete, ich hatte sie angenommen. Der Tag war nicht fern, an dem ich in sie eintreten würde.
    Ich würde bis zum Ende dieser Saison Rennen reiten, dachte ich. Noch fünf oder sechs Monate. Im Mai oder Juni, wenn der Sommer kam, würde ich dann meine Stiefel an den Nagel hängen. Abtreten, wie jeder Jockey es früher oder später tun mußte.
    Ich würde es Harold bald erzählen, damit er Zeit hatte, bis zum Herbst einen anderen zu finden. Ich würde die letzte Zeit genießen, und vielleicht eine letzte Chance beim Grand National bekommen. Alles war möglich. Man konnte nie wissen.
    Ich hatte immer noch Appetit, immer noch die Konstitution. Besser abtreten, bevor sich beides verflüchtigte, fand ich.
    Ich ging ohne jedes Bedauern den Hügel hinab.

21
    Clare kam zwei Tage später mit dem Zug, um die Fotos aus meinem Aktenschrank herauszusuchen, die sie haben wollte: Für eine Mappe, sagte sie. Da sie jetzt meine Agentin sei, würde sie das Geschäft ankurbeln. Ich lachte. Es sei ihr Ernst, beteuerte sie.
    Ich hatte an dem Tag kein Rennen. Ich hatte vereinbart, Jeremy vom Krankenhaus abzuholen und ihn nach Hause zu bringen, und Clare sollte mich begleiten. Außerdem hatte ich Lance Kinship angerufen, um ihm mitzuteilen, daß seine Abzüge schon ewig fertig seien, ich ihn aber nie gesehen hätte. Ich fragte ihn, ob es ihm recht sei, wenn ich sie ihm heute brächte, weil ich praktisch an seinem Haus vorbeikäme.
    Das wäre nett, meinte er. Früher Nachmittag, schlug ich vor, und er sagte ›Klar‹ und

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