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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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lassen und war Rennen geritten. Zweitausend Tage voller Hoffnung und Anstrengung und Schweiß bei unangemessenem Lohn. Es war mehr als ein Job, es war ein Teil meines Wesens.
    Ich zog eine Jacke über Victor Briggs’ Farben, weil vor Sharpeners Rennen noch zwei andere Rennen kamen, und ging für eine Weile hinaus, um zu schauen, was sich allgemein so abspielte. Was sich insbesondere abspielte, war Mrs. White mit einem finsteren Ausdruck auf ihrem schmalen, aristokratischen Gesicht.
    Lady White kannte mich nicht direkt, aber ich hatte ihr, zusammen mit den meisten anderen Springreitern, auf zwei Partys, die sie für die Rennwelt gegeben hatte, die Hand geschüttelt, während sie elegant an Lord Whites Seite stand. Die Partys waren große Ereignisse gewesen, zu denen alle Welt eingeladen war, und hatten im Abstand von drei oder vier Jahren während der März-Meetings auf der Rennbahn in Cheltenham stattgefunden. Lord White hatte sie selbst angeregt, bezahlt und veranstaltet, weil er offenbar daran glaubte, daß alle, die am Springreitsport teilhatten, eine große brüderliche Gemeinschaft seien und sich bei solchen Ereignissen begegnen sollten, um sich zu amüsieren. Der Alte Schneesturm von seiner unschätzbar besten Seite. Und ich war, wie alle anderen auch, zu den Partys gegangen und hatte mich amüsiert.
    Lady White hatte ihren Nerz um sich geschlungen und stierte fast unter ihrem breitkrempigen Hut hervor. Und zwar so durchdringend, daß ich ihrem Blick folgte und feststellte, daß er auf ihren mustergültigen Ehemann gerichtet war, der mit einem Mädchen sprach.
    Lord White redete nicht einfach mit dem Mädchen, er genoß es geradezu und sprühte von den funkelnden Augen bis zu den gestikulierenden Fingerspitzen vor Koketterie. Ich wandte kühl den Blick ab von diesem Bild, das eine uralte Geschichte erzählte, stellte fest, daß Lady Whites Aufmerksamkeit immer noch erbost darauf gerichtet war, und dachte amüsiert: ›Du liebe Güte‹, wie man es eben so tut. Den reinen weißen Lord erwartete heute abend ein ganz unaristokratischer Anpfiff.
    Ivor den Relgan hielt immer noch hof bei einer Horde von Journalisten, unter denen sich zwei Rennsportreporter und drei Klatschkolumnisten von den größeren Tageszeitungen befanden. Ivor den Relgan war eindeutig ein gefundenes Fressen für die Klatschspalten.
    Bart Underfield erzählte lauthals einem älteren Ehepaar, daß Osborne eigentlich nicht so dumm sein sollte, Sharpener in einem Drei-Meilen-Rennen laufen zu lassen, wo doch jeder Idiot wüßte, daß das Pferd nicht mehr als zwei schaffte. Das ältliche Ehepaar nickte beeindruckt.
    Mir wurde nach und nach bewußt, daß ein Mann, der in meiner Nähe stand, genau wie Lady White konzentriert Lord White und das Mädchen beobachtete. Der Mann in meiner Nähe war eine unauffällige Erscheinung; ein normaler Durchschnittsmensch, nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht sehr alt, mit dunklem schütterem Haar und einer schwarzrandigen Brille. Graue Hosen, olivgrünes Jackett, Wildleder, kein Tweed, gutgeschnitten. Als er bemerkte, daß ich ihn ansah, warf er mir einen raschen Blick zu und entfernte sich; und ich verlor ihn für die nächste Stunde aus dem Gedächtnis.
    Victor Briggs war ausnehmend freundlich, als ich vor Sharpeners Rennen zu ihm in den Führring trat, und machte keinerlei Anspielungen auf die Angelegenheit, die zwischen uns stand. Harold hatte sich in einen zuversichtlichen Zustand hineingesteigert und stand da, die langen Beine gespreizt, den Hut zurückgeschoben, in einer Hand das rhythmisch schlenkernde Fernglas.
    »Eine Formalität«, sagte er. »Sharpener war nie besser in Form, stimmt’s, Philip? Hast doch ein gutes Gefühl gehabt, draußen in den Downs, oder? Ging ab wie ein D-Zug.« Seine kräftige Stimme trug problemlos bis zu einigen Besitzer-Trainer-Jockey-Grüppchen in der Nähe, die alle unter ihrer Anspannung vor dem Rennen litten und gut ohne Harold ausgekommen wären.
    »Springt geradezu aus seiner Haut«, tönte Harold. »Besser als je zuvor. Die andern werden sich die Beine aus dem Hals rennen, was, Victor?«
    Das einzig Gute an Harolds Ausbrüchen von übertriebener Zuversicht war, daß sie nie in Bissigkeit und Trübsinn umschlugen, wenn die Realität dann anders aussah. Mißerfolge wurden überschwenglich damit verziehen, daß »das Gewicht ihm natürlich zu schaffen gemacht hat«, und nur selten wurde dem Jockey die Schuld gegeben, selbst wenn sie bei ihm zu suchen war.
    Sharpener

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