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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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wo ich sie zurückgelassen hatte, aber Lord White und Dana den Relgan waren gegangen.
    »Seine Lordschaft hat sie fortgebracht, damit sie ihre Nerven beruhigen kann«, sagte Harold trocken. »Der alte Ziegenbock scharwenzelt ja nur so um sie herum, dieser Dummkopf.«
    »Sie ist hübsch«, sagte ich.
    »Um hübsche Mädchen sind schon Kriege geführt worden«, sagte Victor Briggs.
    Ich sah ihn ein weiteres Mal erstaunt an und erhielt den üblichen, steinernen Ausdruck zurück. Victor hatte vielleicht ungeahnte verborgene Tiefen, aber genau das waren sie nach wie vor: verborgen.
     
    Als ich später den Waageraum verließ, um nach Hause zu fahren, wurde ich mit einer Entschuldigung von Jeremy Folk aufgehalten, der dort in seiner ganzen Größe herumlungerte.
    »Nicht zu fassen«, sagte ich.
    »Ich … ich habe … ähm … Sie gewarnt.«
    »Stimmt.«
    »Könnte ich Sie … ähm … einen Moment sprechen?«
    »Was wollen Sie?«
    »Na ja … also …«
    »Die Antwort lautet nein«, sagte ich.
    »Aber Sie wissen ja gar nicht, was ich fragen will.«
    »Es steht fest, daß es etwas ist, was ich nicht tun will.«
    »Hm«, sagte er. »Ihre Großmutter will, daß Sie sie besuchen.«
    »Definitiv nein«, sagte ich.
    Es entstand eine Pause. Die Leute um uns herum gingen nach Hause, wünschten sich gute Nacht. Es war vier Uhr. Die Nacht begann früh in der Rennwelt.
    »Ich war bei ihr«, sagte Jeremy. »Ich habe ihr gesagt, daß Sie nicht für Geld nach Ihrer Schwester suchen würden. Ich habe ihr gesagt, daß sie Ihnen etwas anderes bieten muß.«
    Ich war verblüfft. »Was denn?«
    Jeremy blickte aus seiner großen Höhe unbestimmt in die Gegend und sagte: »Sie könnten sie doch finden, wenn Sie es versuchen würden?«
    »Glaube ich nicht.«
    »Aber es wäre möglich.«
    Ich antwortete nicht, und seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich langsam wieder auf mein Gesicht.
    »Ihre Großmutter hat zugegeben, daß sie einen Riesenkrach mit Caroline … Ihrer Mutter … hatte … und sie vor die Tür gesetzt hat, als sie schwanger war.«
    »Meine Mutter war siebzehn«, sagte ich.
    »Hm. Ganz recht.« Er lächelte. »Komisch nicht, sich vorzustellen, daß die eigene Mutter so jung gewesen ist.«
    Armer, schutzloser kleiner Schmetterling … »Ja«, sagte ich.
    »Ihre Großmutter sagt … hat sich bereit erklärt … Ihnen zu sagen, warum sie Caroline vor die Tür gesetzt hat, wenn Sie nach Amanda suchen. Und außerdem will sie Ihnen sagen, wer Ihr Vater ist.«
    »Mein Gott!«
    Ich machte unwillkürlich zwei Schritte von ihm weg, hielt inne, drehte mich um und starrte ihn an.
    »Haben Sie ihr das nahegelegt?« wollte ich wissen. »Sagen Sie ihm, wer sein Vater ist, und er macht, was Sie wollen?«
    »Sie wissen nicht, wer Ihr Vater ist«, stellte er zutreffend fest. »Aber Sie wüßten es doch gerne, oder?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    Wir starrten uns an.
    »Das müssen Sie einfach wissen wollen«, sagte er. »Das ist nur menschlich.«
    Ich schluckte. »Hat sie Ihnen gesagt, wer er ist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Hat sie nicht. Sie hat es offenbar keinem Menschen erzählt. Keinem einzigen. Wenn Sie sich nicht auf die Suche machen, werden Sie es nie erfahren.«
    »Sie sind ein richtiges Schwein, Jeremy«, sagte ich. Er wand sich in einer Verlegenheit, die er überhaupt nicht empfand. Das Leuchten in seinen Augen, das einem Schachspieler beim Mattsetzen gut angestanden hätte, zeigte sehr viel deutlicher, was in ihm vorging.
    Ich sagte bitter: »Ich dachte, Anwälte hätten die Aufgabe, hinterm Schreibtisch zu sitzen und sich päpstlich zu gebärden, anstatt durch die Gegend zu sausen und alte Damen zu manipulieren.«
    »Diese spezielle alte Dame ist … eine Herausforderung.«
    Es kam mir so vor, als hätte er den Satz auf halbem Wege umgeformt, aber ich sagte nur: »Warum hinterläßt sie ihr Geld nicht ihrem Sohn?«
    »Das weiß ich nicht. Sie will keine Gründe nennen. Sie hat meinem Großvater schlicht und einfach gesagt, daß sie ihr altes Testament, in dem sie alles ihrem Sohn vermacht hatte, aufheben und ein neues zugunsten von Amanda machen wollte. Der Sohn wird es natürlich anfechten. Wir haben ihr das gesagt, aber es ist ihr gleichgültig. Sie ist … ähm … stur.«
    »Kennen Sie ihren Sohn?«
    »Nein«, sagte er. »Sie?«
    Ich schüttelte den Kopf. Jeremy blickte wieder verschwommen in die Gegend und sagte: »Warum machen wir uns nicht zusammen an die Arbeit? Wir könnten Amanda doch in

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