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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Besuch angekündigt hatte und nicht einfach so auftauchte.
    Ebenfalls am Samstag lief mir auf der Post Bart Underfield über den Weg, und statt unserer üblichen kühlen Begrüßung stellte ich ihm eine Frage.
    »Wo ist eigentlich Elgin Yaxley zur Zeit, Bart?«
    »Hongkong«, sagte er. »Warum?«
    »Urlaub?« sagte ich.
    »Unsinn. Er lebt dort.«
    »Aber zur Zeit ist er doch hier, oder?«
    »Nein. Das hätte er mir mitgeteilt.«
    »Aber er muß hier sein«, sagte ich hartnäckig.
    Bart sagte irritiert: »Warum denn? Er ist nicht hier. Er arbeitet für eine Vollblutzucht, und die geben ihm nicht viel Urlaub. Was geht Sie das überhaupt an?«
    »Ich dachte nur … ich hätte ihn gesehen.«
    »Unmöglich. Wann?«
    »Och … letzte Woche. Gestern vor einer Woche.«
    »Tja, da irren Sie sich«, sagte Bart triumphierend. »Da war George Millaces Beerdigung, und Elgin hat mir ein Telegramm geschickt …« Er zögerte und seine Augen flackerten, aber er fuhr fort: »… und das Telegramm war aus Hongkong.«
    »War es ein Beileidstelegramm?«
    »George Millace war ein Scheißer«, sagte Bart haßerfüllt.
    »Demnach sind Sie nicht zur Beerdigung gegangen?«
    »Sind Sie verrückt? Ich hätte auf seinen Sarg gespuckt.«
    »Hat Sie wohl schief vor die Kamera gekriegt, was, Bart?«
    Er kniff die Augen zusammen und gab keine Antwort.
    »Na ja«, sagte ich schulterzuckend, »ich würde sagen, daß ziemlich viele Leute erleichtert sind, daß er nicht mehr da ist.«
    »Die danken dem Himmel auf den Knien.«
    »Haben Sie in letzter Zeit mal was von dem Burschen gehört, der Elgins Pferde erschossen hat? Wie hieß er nochmal … Terence O’Tree?«
    »Der sitzt noch im Gefängnis«, sagte Bart.
    »Aber«, sagte ich, an den Fingern abzählend, »März, April, Mai … der müßte jetzt wieder draußen sein.«
    »Er hat seinen Strafnachlaß verloren«, sagte Bart. »Hat einen Wärter geschlagen.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte ich neugierig.
    »Ich … ähm … hab’s gehört.« Plötzlich war ihm die Unterhaltung lästig, und er trat langsam den Rückzug an.
    »Haben Sie auch gehört, daß George Millaces Haus abgebrannt ist?« sagte ich.
    Er nickte. »Natürlich. Hab’s auf der Rennbahn gehört.«
    »Und daß es Brandstiftung war?«
    Er hielt mitten im Schritt inne. »Brandstiftung?« sagte er völlig überrascht. »Warum sollte jemand …? Ach so!« In dem Moment fiel der Groschen, und ich dachte, daß diese plötzliche Erleuchtung unmöglich gespielt sein konnte.
    Er hatte nichts gewußt.
    Elgin Yaxley war in Hongkong und Terence O’Tree war im Gefängnis, und weder die beiden noch Bart Underfield waren eingebrochen, hatten Prügel verteilt oder Feuer gelegt.
    Die einfachen Erklärungen waren allesamt falsch.
     
    Ich hatte vorschnelle Schlüsse gezogen, dachte ich zerknirscht.
    Nur weil ich George Millace nicht leiden konnte, war ich bereit, schlecht von ihm zu denken. Er hatte das belastende Foto gemacht, aber es gab nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er es benutzt hatte, außer daß Elgin Yaxley einen bezahlten Job in Hongkong angenommen hatte, statt seine Versicherungsprämie in Rennpferde zu reinvestieren. Dazu hatte jeder Mann das Recht. Das machte ihn noch nicht zum Kriminellen.
    Trotzdem war er ein Krimineller. Er hatte geschworen, daß er Terence O’Tree nie begegnet war, und doch war er ihm begegnet. Und es mußte auf jeden Fall vor der Gerichtsverhandlung im Februar gewesen sein, da O’Tree seitdem im Gefängnis saß. In den Wintermonaten direkt vor der Verhandlung konnte es auch nicht gewesen sein, denn es hatte ein Wetter geherrscht, bei dem man draußen sitzen konnte; und auf dem Tisch … Ich hatte es unbewußt registriert und erinnerte mich jetzt … auf dem Tisch vor dem Franzosen hatte eine Zeitung gelegen, auf der vielleicht das Datum zu erkennen war.
    Ich ging langsam und nachdenklich nach Hause und projizierte meinen neuen großen Abzug mit einem Episkop an die Wohnzimmerwand.
    Die Zeitung des Franzosen lag zu flach auf dem Tisch. Weder das Datum noch irgendeine aufschlußreiche Schlagzeile war zu erkennen.
    Enttäuscht suchte ich den Rest des Bildes nach etwas ab, was Aufschluß über den Zeitpunkt geben konnte, und im Hintergrund, neben Madame an der Kasse im Innern des Cafés, hing ein Kalender an einem Haken. Buchstaben und Zahlen waren zwar nicht gestochen scharf, aber anhand ihrer groben Umrisse zu entziffern und besagten, daß es ›Avril‹ im vergangenen Jahr war.
    Elgin Yaxleys

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