Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
Vom Netzwerk:
ihrer kichernden Munterkeit, ihrer Grazie oder ihrem hektischen Tempo konnte je in diesem schlaffen Körper gesteckt haben. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart auf Anhieb unbehaglich, und mein Auftrag gefiel mir mit jeder Minute weniger.
    Er schürzte die schmalen Lippen, als er hörte, daß ich auf der Suche nach Amanda war, und regte sich zunehmend auf.
    »Die alte Schachtel redet schon seit Monaten davon, daß sie mich enterben will«, sagte er wütend. »Seit sie hier war.« Er blickte sich im Zimmer um, aber ich konnte nichts darin entdecken, was eine Mutter befremden könnte. »Alles war in Ordnung, solange ich hin und wieder nach Northamptonshire ging. Dann ist sie hierher gekommen. Uneingeladen. Die alte Schachtel.«
    »Sie ist jetzt krank«, sagte ich.
    »Weiß ich.« Er fuchtelte aufgebracht mit den Armen. »Ich wollte sie besuchen. Sie war dagegen. Wollte mich nicht sehen. Stures altes Weib.«
    Eine Messinguhr auf dem Kaminsims schlug sanft zur halben Stunde, und mir fiel auf, daß alles hier sehr erlesen und sorgfältig abgestaubt war. Bei James Nores Nippessammlung handelte es sich nicht um Trödelkram, sondern um Antiquitäten.
    »Ich wäre ja ein schöner Idiot, wenn ich dir bei der Suche nach dem elenden zweiten Fehltritt von Caroline helfen würde«, sagte er. »Wenn niemand sie aufspüren kann, fällt das ganze Erbe an mich, Testament hin oder her. Aber ich werde Jahre darauf warten müssen. Lange Jahre. Meine Mutter ist schlichtweg gemein.«
    »Warum?« sagte ich sanft.
    »Sie hat Noel Coward geliebt«, sagte er vorwurfsvoll, und es klang so, als wollte er damit sagen, wenn sie Noel Coward geliebt hatte, hätte sie auch ihn lieben müssen.
    »Das Abstrakte ist nicht immer mit dem Konkreten gleichzusetzen«, sagte ich erleuchtet.
    »Ich wollte nicht, daß sie hierherkommt. Der ganze Ärger wäre uns erspart geblieben, wenn sie es nicht getan hätte.« Er zuckte die Achseln. »Gehst du jetzt wieder? Ich sehe keinen Grund, daß du noch bleibst.«
    Er ging auf die Tür zu, aber bevor er sie erreichte, wurde sie von einem Mann in einer Plastikschürze geöffnet, der geziert einen Kochlöffel hielt. Er war erheblich jünger als James und eindeutig schwul.
    »Oh, hallo Süßer«, sagte er, als er mich sah. »Bleibst du zum Abendessen?«
    »Er ist gerade dabei zu gehen«, sagte James schroff. »Er ist kein … ähm …«
    Sie traten beide zur Seite, um mich durchzulassen, und als ich in die Diele hinausging, fragte ich den Mann in der Schürze: »Haben Sie Mrs. Nore kennengelernt, als sie hier war?«
    »Und ob mein Lieber«, sagte er bekümmert, sah dann aber, wie James heftig den Kopf schüttelte und ihm signalisierte, den Mund zu halten.
    Ich lächelte halbherzig an ihren Köpfen vorbei in die Luft und ging zur Haustür.
    »Ich wünsche dir viel Pech«, sagte James. »Diese ekelhafte Caroline, wie eine Wilde Kinder in die Welt zu setzen. Ich konnte sie nie leiden.«
    »Erinnerst du dich an sie?«
    »Hat mich ständig ausgelacht und aufs Glatteis geführt. Ich war froh, als sie weg war.«
    Ich nickte und öffnete die Tür.
    »Warte«, sagte er plötzlich.
    Er kam durch die Diele auf mich zu, und ich sah ihm an, daß er eine Idee hatte, die ihm gefiel.
    »Dir würde Mutter natürlich nie etwas vermachen«, sagte er.
    »Warum nicht?« sagte ich.
    Er runzelte die Stirn. »Es hat doch ein fürchterliches Drama gegeben, als Caroline schwanger war. Entsetzliche Szenen. Ein Riesengezeter. Ich erinnere mich noch … aber niemand wollte mir je erklären, was los war. Ich weiß nur, daß sich wegen dir alles geändert hat. Caroline ist gegangen, und meine Mutter hat sich in eine verbitterte alte Schachtel verwandelt, und ich habe verflucht schlechte Jahre mit ihr zusammen in dem großen Haus verbracht, bevor ich ausgezogen bin. Sie hat dich gehaßt … Schon den Gedanken an dich. Weißt du, wie sie dich genannt hat? ›Carolines widerlichen Fötus‹, genau so. Carolines widerlichen Fötus.«
    Er fixierte mich erwartungsvoll, aber ich fühlte in Wahrheit gar nichts. Der Haß der alten Frau machte mir schon seit Jahren nichts mehr aus.
    »Ich werde dir trotzdem was von dem Geld abgeben«, sagte er, »wenn du beweisen kannst, daß Amanda tot ist.«
     
    Am Samstagmorgen rief Jeremy Folk an.
    »Sind Sie morgen zu Hause?« fragte er.
    »Ja, aber …«
    »Gut, ich werde kurz vorbeischauen.« Er legte auf, ohne mir die Chance zu geben zu protestieren. Es war immerhin ein Fortschritt, überlegte ich, daß er seinen

Weitere Kostenlose Bücher