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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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abgespielt hat.«
    »Würden Sie bitte wieder herkommen und sich setzen?« Seine Stimme war immer noch streng, immer noch voller Anklage und Vorwurf. Immer noch voller Abwehr.
    Ich ging zu meinem Sessel zurück, und er trat ans Fenster, blieb mit dem Rücken zu mir stehen und sah auf die welken Rosen hinaus.
    Er brauchte lange zum Nachdenken. Mir wäre es in der gleichen Situation genauso gegangen. Das Ergebnis war eine vollständige Verwandlung seiner Stimme, sowohl im Tonfall als auch im Gehalt, denn als er endlich wieder sprach, klang sie nicht mehr erschüttert und wütend, sondern ganz normal. Aber er sprach, ohne sich umzudrehen.
    »Wie viele Leute haben diese Fotos gesehen?« sagte er.
    »Ich weiß nicht, wie vielen Leuten George Millace sie gezeigt hat«, sagte ich. »Ich habe sie jedenfalls nur einem Freund gezeigt. Er war dabei, als ich sie entdeckt habe. Aber er kennt die den Relgans nicht. Er geht nicht oft zu Pferderennen.«
    »Sie haben sich demnach mit niemandem besprochen, bevor Sie hierherkamen?«
    »Nein, Sir.« Wieder eine lange Pause. Aber ich war groß im Warten. Das Haus um uns herum war sehr still, hielt den Atem an, dachte ich phantasievoll, ähnlich wie ich.
    »Haben Sie vor, auf der Rennbahn Witze darüber zu machen?« sagte er ruhig.
    »Nein.« Ich war entsetzt. »Bestimmt nicht.«
    »Und würden Sie …«, er stockte, fuhr dann aber fort, »… würden Sie irgendeine Belohnung in Form einer Gefälligkeit … oder Geld … für Ihr Stillschweigen erwarten?«
    Ich fuhr aus meinem Sessel hoch, als hätte er mich tatsächlich geschlagen und mir den Hieb nicht aus sechs Schritt Entfernung und mit dem Rücken zu mir versetzt.
    »Das würde ich nicht«, sagte ich. »Ich bin nicht George Millace. Ich glaube … Ich glaube, ich gehe jetzt.« Und ich ging, aus dem Zimmer, aus dem Haus, fort von seinem unkrautbewachsenen Anwesen, getrieben von schwer verletzter Eitelkeit.
     
    Am Mittwoch ereignete sich nichts Besonderes; sogar noch weniger als erwartet, da ich bei der Morgenarbeit mit der ersten Koppel überraschend erfuhr, daß Coral Key an diesem Tag nun doch nicht laufen würde.
    »Das verdammte Vieh hat sich letzte Nacht in seiner Box festgelegen«, sagte Harold. »Ich bin aufgewacht und hab ihn schlagen hören. Weiß der Himmel, wie lange er da schon lag. Er war völlig erschöpft. Das wird Victor nicht gefallen.«
    Da mir das Geld für den Ritt durch die Lappen gegangen war, lohnte es sich nicht, welches für Benzin auszugeben, um den Rennen zuzusehen, also blieb ich zu Hause und machte Lance Kinships Abzüge.
    Am Donnerstag machte ich mich wegen eines einzigen Starts nach Kempton auf und dachte dabei, daß es finanziell eine sehr magere Woche war, aber ich war kaum durch das Tor, als mich ein finsterer kleiner Mann packte und mir mitteilte, sein Chef suche mich, und wenn ich als Ersatz reiten wolle, solle ich meinen Arsch bewegen.
    Ich bewegte ihn und bekam die Ritte gerade noch, ehe der Trainer glaubte, ich käme nicht mehr rechtzeitig, und sie jemand anders gab.
    »Sehr ärgerlich«, sagte er schnaufend, als wäre er außer Atem, obwohl er gewiß fünfzehn Minuten an einem Fleck auf mich gewartet hatte. »Mein Jockey hat gestern gesagt, er hätte von seinem Sturz neulich keine Beschwerden mehr. Und dann ruft er doch heute morgen seelenruhig an und sagt, er hat die Grippe.«
    »Tja … ähm …« Ich unterdrückte ein Lachen. »Da kann er wohl nichts dafür.«
    »Verdammt rücksichtslos ist das.«
    Seine Pferde hatten, wie sich herausstellte, bessere Lungen als ihr Meister, waren ansonsten aber nicht weltbewegend. Eins brachte ich auf den dritten Platz in einem Sechserfeld; und mit dem anderen stürzte ich zwei Hindernisse vor dem Ziel. Ein ziemlicher Sturz, aber nichts gebrochen, weder bei ihm noch bei mir.
    Das dritte Pferd, dessentwegen ich ursprünglich hergekommen war, war nicht viel besser: ein ungeschicktes, schlecht geschultes Pferdebaby, dessen Mumm in etwa seinem Können entsprach. Ich brachte es im Nachwuchs-Hindernisrennen vorsichtig über die Runden, um ihm sein Geschäft beizubringen, und erntete keinerlei Dank von seinem Trainer, der behauptete, ich wäre nicht schnell genug geritten, um warm zu bleiben.
    »Es waren noch sechs oder sieben hinter uns«, sagte ich sanft.
    »Und sechs oder sieben vor euch.«
    Ich nickte. »Er braucht Zeit.« Und Geduld und Wochen und Monate Springpraxis. Wahrscheinlich würde er beides nicht bekommen, und wahrscheinlich würde man ihn mir auch

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