Reflex
natürlich bereits kennt. Aber ich denke, daß ich Ihre Einwilligung dazu brauche, und um die möchte ich Sie hiermit bitten.«
Es geht also um Druckmittel, dachte ich und sagte: »Ich habe nichts dagegen. Bitte tun Sie damit, was Sie wollen.«
»Sind es … die einzigen Abzüge?«
»Ja«, sagte ich wahrheitsgetreu. Ich sagte ihm nicht, daß ich auch die Negative hatte. Er hätte sicher von mir verlangt, daß ich sie vernichtete, und dagegen wandte sich mein ganzer Instinkt.
Er ließ die Stuhllehne los, als brauchte er sie nicht mehr, und ging an mir vorbei zur Tür. Als er sie öffnete, hatte sein Gesicht wieder den vertrauten festen, untadeligen Ausdruck der Vor-Dana-Zeiten. Die grausame Kur war beendet, dachte ich.
»Ich kann Ihnen nicht gerade danken«, sagte er höflich, »aber ich stehe in Ihrer Schuld.« Er nickte mir flüchtig zu und verließ den Raum: Transaktion erledigt, Entschuldigung vorgebracht, Würde intakt. Schon bald würde er sich eifrig einreden, dachte ich, er hätte gar nicht empfunden, was er empfunden hatte, seine Vernarrtheit hätte gar nicht existiert.
Langsam verließ auch ich den Raum, zufrieden in vieler Hinsicht, auf vielen Ebenen, aber ob er das wußte, wußte ich nicht. Die größten Geschenke sind nicht immer die, die ausdrücklich gemacht werden.
Von Marie Millace erfuhr ich mehr.
Sie war nach Newbury gekommen, um Steve reiten zu sehen, dessen Schlüsselbein wieder verheilt war, obwohl sie, als ich sie zu einer Tasse Kaffee überredete, zugab, daß es eine Qual sei, den eigenen Sohn über Hürden rasen zu sehen.
»Alle Jockeyfrauen sagen, daß es schlimmer ist, wenn ihre Söhne anfangen«, sagte ich. »Töchter auch, möchte ich behaupten.«
Wir saßen an einem kleinen Tisch in einer Bar, umgeben von Leuten in schweren Mänteln, die nach kalter, feuchter Luft rochen und in der Wärme leicht zu dampfen schienen. Marie schob automatisch den Haufen aus Tassen und Sandwichpapieren beiseite, den die vorigen Gäste zurückgelassen hatten, und rührte nachdenklich in ihrem Kaffee.
»Sie sehen besser aus«, sagte ich.
Sie nickte. »Ich fühle mich auch besser.«
Sie war beim Friseur gewesen, wie ich sah, und hatte sich neue Kleidung zugelegt. Immer noch blaß, mit verschwommenen, kummervollen Augen. Immer noch zerbrechlich, dünnhäutig, mit zittriger Stimme, Tränen unter Kontrolle, aber nicht weit. Vier Wochen nach Georges Tod.
Sie nippte an dem heißen Kaffee und sagte: »Sie können vergessen, was ich Ihnen letzte Woche über die Whites und Dana den Relgan erzählt habe.«
»Ach ja?«
Sie nickte. »Wendy ist hier. Wir haben vorhin einen Kaffee zusammen getrunken. Sie ist sehr viel glücklicher.«
»Erzählen Sie mir davon«, sagte ich.
»Interessiert Sie das denn? Bin ich nicht zu geschwätzig?«
»Es interessiert mich sehr«, versicherte ich ihr.
»Sie sagte, daß ihr Mann letzten Dienstag, irgendwann letzten Dienstag, irgend etwas über Dana den Relgan erfahren hat, was ihm nicht gefiel. Sie weiß nicht, was. Er hat es ihr nicht erzählt. Aber sie sagt, er war den ganzen Abend wie ein Zombie, bleich und mit starrem Blick und völlig unansprechbar. Sie wußte nicht, was los war, da noch nicht, und war ziemlich erschrocken. Er schloß sich den ganzen Mittwoch ein, aber am Abend sagte er ihr, seine Affäre mit Dana den Relgan sei beendet, und er sei ein Narr gewesen und ob sie ihm verzeihen könnte.«
Ich hörte zu, erstaunt, daß Frauen solchen Klatsch so unbekümmert weitergaben, und erfreut, daß es so war.
»Und was dann?« sagte ich.
»Sind Männer nicht sonderbar?« sagte Marie Millace. »Danach hat er so getan, als wäre das Ganze nie passiert. Wendy sagt, daß er, nachdem er gebeichtet und sich entschuldigt hat, erwartet, daß sie so weitermacht wie vorher, als hätte er sie nie betrogen und mit diesem elenden Mädchen geschlafen.«
»Und ist sie dazu bereit?«
»Oh, ich glaube schon. Wendy sagt, daß alle Männer um fünfzig solche Probleme haben, weil sie sich beweisen wollen, daß sie noch jung sind. Sie versteht ihn offenbar.«
»Sie verstehen ihn offenbar auch«, sagte ich.
Sie lächelte liebenswürdig. »Aber ja doch. Man sieht das doch immer wieder.«
Als wir unsern Kaffee getrunken hatten, gab ich ihr eine kurze Liste von Agenten, bei denen sie es probieren könnte, und versicherte, daß ich ihr helfen würde, wo ich könne. Danach sagte ich ihr, daß ich ein Geschenk für sie mitgebracht habe. Ich hatte es Steve für sie mitgeben wollen,
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