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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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aber da sie selbst hier war, konnte ich es ihr direkt geben. Es war in meiner Tasche im Umkleideraum.
    Ich holte es und gab ihr einen zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter großen Pappumschlag mit der Aufschrift ›Fotografien – nicht knicken‹ um den Rand.
    »Machen Sie ihn erst auf, wenn Sie alleine sind«, sagte ich.
    »Ausgeschlossen« , sagte sie und öffnete ihn auf der Stelle.
    Er enthielt ein Foto, das ich einmal von George gemacht hatte. George sah mit seiner Kamera in der Hand in meine Richtung und lächelte sein sardonisches Lächeln. George in Farbe. George in einer typischen George-Pose: ein Bein vorgestellt, das Gewicht auf dem anderen, Kopf zurück, die Welt als einen schlechten Scherz betrachtend. George wie er leibte und lebte.
    Auf der Stelle fiel Marie Millace mir in aller Öffentlichkeit um den Hals und drückte mich an sich, als wollte sie mich nie mehr loslassen, und ich spürte, wie ihre Tränen mir in den Kragen tropften.

15
    Die ›Zephyr Farm‹ war tatsächlich befestigt wie ein Fort, umgeben von einem zwei Meter hohen, stabilen Holzzaun und gesichert durch ein Tor, das dem Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz alle Ehre gemacht hätte. Ich saß untätig in meinem Auto auf der gegenüberliegenden Straßenseite und wartete darauf, daß es sich auftat.
    Ich wartete, während die Kälte nach und nach durch meinen Anorak kroch und meine Hände und Füße betäubte. Wartete, während ein paar unerschrockene Fußgänger ohne einen Blick auf das Tor den schmalen Weg am Zaun entlangeilten. Wartete in der fast vorstädtischen Straße am Stadtrand von Horley, wo das Licht der letzten Straßenlaternen sich in der Dunkelheit verlor.
    Niemand ging am Tor aus oder ein. Es blieb hartnäckig geschlossen, verschwiegen und unfreundlich, und nach zwei fruchtlosen Stunden gab ich die kalte Wache auf und nahm mir ein Zimmer in einem Motel am Ort.
    Auf meine Nachfragen erhielt ich eine griesgrämige Antwort. Ja, meinte die Frau an der Rezeption, bei ihnen stiegen manchmal Leute ab, die hofften, daß sie ihre Söhne oder Töchter zur Heimkehr von der ›Zephyr Farm‹ bewegen könnten. Es gelinge so gut wie nie, weil man ihnen nicht gestatte, ihre Kinder unter vier Augen zu sprechen, wenn überhaupt. Richtiger Skandal, sagte die Frau an der Rezeption, und das Gesetz sei völlig machtlos. Alle über achtzehn, die Kleinen, verstehen Sie? Alt genug, um zu wissen, was sie tun. Eine Schande.
    »Ich will nur herausfinden, ob jemand bestimmtes sich dort aufhält«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf und meinte, ich hätte keine Chance.
    Ich verbrachte den Abend damit, in Hotels und Pubs herumzuziehen und mit diversen Einheimischen, die sich an den Theken festhielten, über die ›Auserwählten‹ zu sprechen. Im wesentlichen teilte man die Auffassung der Empfangsdame: was oder wen auch immer ich von der ›Zephyr Farm‹ wollte, ich würde es nicht bekommen.
    »Kommen die nie da raus?« fragte ich. »Vielleicht zum Einkaufen?«
    Ich erntete nur ein bedauerndes, spöttisches Lächeln und wurde belehrt, daß die ›Auserwählten‹ sehr wohl herauskamen, immer in Gruppen und immer mit ihren Sammelbüchsen.
    »Sie verkaufen irgendwas«, sagte ein Mann. »Versuchen, einem irgendwelche polierten Steine oder so’n Kram zu verkaufen. Betteln eigentlich eher. Für die Sache, sagen sie. Für die Liebe Gottes. Quatsch, sag ich. Ich sag denen, sie sollen doch in die Kirche gehen, und das hören die gar nicht gern, können Sie mir glauben.«
    »Und streng geht’s bei denen zu«, sagte eine Kellnerin. »Keine Zigaretten, kein Alkohol, kein Sex. Ich kapier nicht, was die Schwachköpfe da dran finden.«
    »Sie tun niemand was«, sagte jemand. »Sind ständig am Lächeln.«
    Ich fragte, ob sie morgen vormittag wohl zum Sammeln rauskommen würden. Und wenn ja, wann?
    »Im Sommer treiben sie sich immer am Flughafen rum und schnorren die Urlauber an, und manchmal greifen sie sich einen für sich selber … wie Rekruten … aber am ehesten erwischen Sie sie im Stadtzentrum. Gleich hier. Am Samstag … da sind sie sicher da. Ganz sicher.«
    Ich dankte allen und ging schlafen, und am nächsten Morgen parkte ich so nah wie möglich am Zentrum und ging zu Fuß durch die Gegend.
    Um zehn Uhr herrschte geschäftiges Treiben in der Stadt, und ich rechnete mir aus, daß ich spätestens um halb zwölf aufbrechen mußte, um rechtzeitig nach Newbury zu gelangen, und selbst das war schon ein bißchen knapp. Das erste Rennen war wegen der kurzen

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