Regenbogen-Welt (German Edition)
Felsenlandschaft, die
ihnen zartgelb entgegenschimmerte. Das Licht brach sich malerisch auf den
kahlen Bergkuppen. Unwirklich zerklüftet, wirkte die Landschaft noch fremder.
Aber auch beeindruckender. Saha fühlte sich, als wäre sie nicht nur in eine
neue Welt aufgestiegen, sondern hätte sich damit auch von den anderen unter
ihnen auf ewig gelöst.
Das Dorf lag in einem flachen Tal, hinter dem sich ein Berg von
unvorstellbarer Größe erhob. Er wirkte wie aus silbernem Metall gehauen. Was
aber besonders beeindruckte, war die Tatsache, dass um ihn herum reine Energie
floss. Unruhiges Glitzern und Flimmern lag in der Luft. Die silberne Struktur
des Berges wirkte im Glanze der Sonne besonders verwunschen. Von ihm ging ein
derartiges Leuchten aus, dass Saha für einen Moment geblendet die Augen
schloss.
„Der Mondberg!”, flüsterte Uhura ehrfürchtig neben ihr.
Saha öffnete ruckartig die Augen. „Das ist der Mondberg?”, fragte
sie und blickte wieder zu dem hoheitsvollen Bergmassiv, das wie geschlagenes
Silber in der Sonne glänzte. Es gab keinen bezeichnenderen Namen für diesen
Berg.
Saha schnupperte.
Ein seltsamer Geruch lag in der Luft. Rußig, wie nach einem
Feuer. Und es wurde wärmer, je mehr sie sich dem Dorf und dem Berg näherten.
Maiitsoh konnte seiner Unruhe kaum noch Herr werden. Er wusste unumstößlich,
hier würde sich sein Schicksal besiegeln. Ihm war, als wäre er schon einmal
hier gewesen. Aber das konnte nicht sein. Niemand hatte jemals die Vierte Welt
erreicht. Oder doch?
Zum ersten Mal fragte er sich, warum er nachts immer den Drang verspürte,
den Mond anzuheulen. Ihm ein schauriges Lied zu komponieren. Der Große Wolf
strauchelte, fing sich aber fluchend wieder. Er wunderte sich über seine
gereizte Reaktion, die aus der Angst resultierte, die beim Anblick des Berges
in ihm aufgestiegen war.
Barb fuhr erstaunt zu ihm herum. „Was ist denn mit dir los?”,
fragte sie besorgt.
Maiitsoh schüttelte unwillig den Kopf. Er mochte es nicht, wenn
man eine seiner Schwächen entdeckte.
Die Heiligen Leute hießen Saha und ihre Freunde zwar freundlich
willkommen, aber ihre Haltung drückte trotzdem Misstrauen aus. Dennoch führten
sie die ungewöhnlichen Gäste zu einem Gebäude, das einem Tempel glich. Zwischen
den hellgrauen Säulen des Eingangsbereiches stand eine regungslose Gestalt, die
sich in Bewegung setzte, als sie die kleine Gruppe auf sich zukommen sah. Es
war eine Frau unbestimmten Alters, in eine schlichte, weiße Robe gehüllt, mit
offenem Haar, das wie flüssiges Gold über ihre Schultern fiel. Sie trat auf
Kupfergesicht zu, zog sie beiseite und sprach aufgeregt auf sie ein.
Kupfergesicht nickte einige Male, verzog sorgenvoll das Gesicht und ging dann
auf Uhura zu, die neben Saha und Ishtar hockte.
„Sunseray sagt, dass wir in einer Zeit der Unruhe erscheinen.”
Das also ist der legendäre Sonnengeist, dachte Saha und war
enttäuscht. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Auf jeden Fall keine
gewöhnliche Frau.
„Wie ist das nun wieder zu verstehen? Zeit der Unruhe?”, wollte
Dahsani vorlaut wissen, wurde aber von Shash gestoppt. Der Bär hielt das
Stachelschwein, das schon vorpreschen wollte, zurück.
Kupfergesicht versuchte es mit einem Lächeln, das gänzlich
misslang. „Sabia, die Meisterin der Dunkelheit, will sich dieser Welt
bemächtigen und mit Deelgeed verbünden. Sie ...”
„Kann uns endlich mal einer verraten, wer Deelgeed ist?”, wollte
Hazee furchtsam wissen.
Kupfergesicht winkte Sunseray herbei. „Ich möchte euch Sunseray
vorstellen. Sie ist – wie ihr Name sagt – der Sonnengeist dieser Welt und
schenkt uns das Licht, während ich ...”
„Während du”, fuhr Sunseray mit warmer Stimme dazwischen,
„während du die spirituelle Größe dieser Welt bist.”
Man konnte es Kupfergesicht deutlich ansehen, dass ihr der mit
Stolz durchzogene Satz der Schwester unangenehm war. Sie machte eine abwehrende
Handbewegung und wandte sich Maiitsoh und Uhura zu. „Sabia will Deelgeed
erwecken und mit ihm zusammen die Vierte Welt beherrschen. Somit könnten sie
entscheiden, wer weiter in die Fünfte Welt aufsteigt, und dadurch auch Einfluss
auf die Neue Welt nehmen. Sie könnten diese nur mit ihren Kreaturen bevölkern.”
Das war keine berauschende Vorstellung.
Mit der Neuen Welt muss wohl die Wiederbevölkerung der Erde
gemeint sein, dachte Saha und trat einige Schritte vor. „Wieso muss Sabia
Deelgeed erst erwecken, und wer ist er?”,
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