Regenbogen-Welt (German Edition)
kleine Gruppe wieder an. Niemand vermochte es
so gut, Fährten zu lesen und sich so lautlos zu bewegen wie der Große Wolf. Er
warf dem Mond einen Blick zu. Als ob er von ihm Hilfe erhoffte. Die Geister,
die um den Mondberg herumflogen, waren laut und boshaft. Maiitsoh ignorierte
ihr gehässiges Kichern. Er sah nur das tiefe, schwarze Loch, das sich nicht
gerade einladend vor ihnen erhob. Das uneinschätzbare Dunkel, hinter dem sich
die Zaubergrotte befand.
Maiitsoh zögerte einen Moment. Was würde ihn erwarten? Ihn und
seine Freunde. Als er in dem Höhleneingang verschwand, drang ihm die Kälte wie
eine Wand entgegen. Die Luft wurde so scharf wie ein Messer. War plötzlich ein
Feind. Maiitsoh sog den Atem tief ein. Er musste sich erst an den rapiden
Temperaturabfall gewöhnen. Es gelang ihm erstaunlich schnell. Hinter ihm
erklangen Geräusche. Seine Freunde hatten ebenfalls die Höhle betreten.
„Puh, mir bleibt die Luft weg”, jammerte Dahsani.
„Beim Großen Geist ... ist das hier kalt”, entfuhr es auch
Ishtar. Er wollte nach Sahas Hand greifen, aber sie stand schon längst nicht
mehr an seiner Seite. Sie hatte sich mit Barb davongeschlichen. Zu Maiitsoh.
Der Große Wolf kauerte hinter einem Felsvorsprung und starrte in die Dunkelheit
des Berginneren. Saha fragte sich, was er suchte, und es interessierte sie brennend,
ob und was er sah. Sie konnte kaum etwas erkennen. Aber ihre Nase verriet ihr,
wo Deelgeed sein musste. Von Maiitsohs sicherem Versteck aus bog ein Gang
scharf nach rechts. Von dort wehte ihnen unverkennbar ein unangenehmer
Schwefelhauch entgegen. Geräusche von scharrenden Krallen, die über den
felsigen Boden fuhren, erklangen. Ebenso dumpfe Laute, die vom Schlagen
mächtiger Schwingen herrühren konnten. Saha fragte sich, ob Deelgeed diese
Flügel besaß. Wenn sie an die steinernen Figuren der Drachenstadt dachte, war
das mehr als wahrscheinlich. Hakaz, die Kältefrau, musste schon ganze Arbeit
geleistet haben, um die Urgewalt eines solchen Ungetüms zu bändigen.
Maiitsoh bedeutete ihnen, leise zu sein. Er richtete sich
geschmeidig auf und schlich in den Gang. Dicht gefolgt von den Freunden.
Saha spürte mit jedem Schritt ihr Herz schneller und härter gegen
den Brustkorb schlagen. Sie hatte schon von ihren Freunden gehört, dass in
Ausnahmesituationen ein Herz so heftig schlagen konnte, dass man Furcht haben
musste, es würde zerbersten.
Am Ende des Gangs wurde es heller und der Geruch immer
unerträglicher. Sie näherten sich der Zauberhöhle, der Zaubergrotte, wie
Sunseray sie genannt hatte. Saha drehte sich herum und stellte mit Schrecken
fest, dass der Sonnengeist das Schlusslicht bildete. Warum hielt sich Sunseray
so zurück?
Barb unterbrach ihre Gedanken. Sie zog so heftig an Sahas Arm,
dass die beinahe aufgeschrien hätte.
„Sieh nur”, flüsterte Barb aufgeregt und deutete auf das
flackernde Licht, das die Zaubergrotte erleuchtete. Saha fragte sich, woher die
Helligkeit stammte.
Wieder versteckten sie sich hinter Felsvorsprüngen und starrten
stumm und entsetzt in die Grotte.
Ein Drache von enormer Größe warf seinen grünlich beschuppten
Körper hin und her. Das Tier mit den spitzen Auswüchsen über den Augen, die
tatsächlich an kleine Hörner erinnerten, war sichtlich nervös. Unruhig wedelte
er mit seinen Schwingen, die er nicht auszubreiten in der Lage war. Sie müssen
eine ungeheure Spannweite haben, dachte Saha erschrocken und gleichermaßen
beeindruckt. Eine morbide Faszination ging von Deelgeed aus. Sie sah, wie seine
Schwanzspitze, die mit zackigen Widerborsten bestückt war, heftig gegen den
Fels schlug. Feuerschübe drangen aus den geblähten Nüstern des Ungetüms. Wenn
er sein Maul öffnete, wurden lange, spitze Fangzähne sichtbar. Saha konnte
ihren Blick nicht abwenden. Etwas war in ihr erwacht. Ein Gefühl, das sie nicht
einzuordnen wusste. Es war der Wunsch nach Macht. Nein, der Wunsch, sich von
den Anderen abzugrenzen. Ein menschlicher Wunsch? Ihr Blick haftete immer noch
an Deelgeed. Von ihm ging eine derartige Kraft und Stärke aus, dass sich Saha
fragte, woraus die gläsern wirkenden Gitterstäbe, die seinen gewaltigen Körper
gefangen hielten, in Wirklichkeit bestanden. Sie sahen so zerbrechlich aus,
dass Saha glaubte, der Drachenkönig müsse sich nur leicht dagegen werfen und
könne sie unter seinem riesenhaften Körper begraben.
Ein Zischen erklang.
Deelgeed tat Saha den Gefallen, sich genau in dem Moment gegen
das
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