Regency Reality-Show
Zwar hatte er noch seine volle Haarpracht, aber sie waren vollkommen weiss. Seine Gesichtsfarbe schien auch eher hell. Dieser Mann hatte entweder eine schwere Krankheit hinter sich, oder sah nur selten die Sonne.
Viel zu rasch war er bei der Frage „Willst Du…“ angelangt. Die Zeremonie rauschte nur so an mir vorbei. Dann nahm der Pastor meine Rechte, sah mir bedeutungsvoll in die Augen und legte sie in Roberts Hand mit den Worten: „Was Gott zusammengeführt, soll der Mensch nicht trennen. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Das schien mein Stichwort. Die ganze Aufregung war wohl doch etwas viel für mich. Noch bevor sich seine Lippen auf meine senken konnten, wurde alles schwarz um mich.
***
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem Sofa im güldenen Zimmer. Robert kniete neben mir und strich mir sanft über die Wange. Er schmunzelte mich an und meinte, ich schulde ihm noch einen Kuss und damit berührten sich unsere Lippen auch schon. Es war der zärtlichste Kuss, den ich in meinem Leben je erhalten hatte. Robert roch nach Sandelholz, Leder und Mann. Ein Duft, der mich völlig einhüllte und schier um den Verstand brachte. Mit einem Seufzer schloss ich die Augen.
„Du wirst mir doch nicht gleich wieder ohnmächtig.“ beschwerte er sich und zog eine Augenbraue fragend hoch.
„Ich werde nie ohnmächtig, das war bloss–„ eine tiefe Männerstimme, die ich sofort dem Pastor zuzuordnen wusste, unterbrach mich: „Geht es Ihnen gut, meine Liebe?“
Warum wirkte er so besorgt? Ich war doch bloss kurz umgekippt und offensichtlich hatte Robert mich dabei aufgefangen, denn es tat mir überhaupt nichts weh, was ich nicht schon am Morgen als schmerzende Stelle empfunden hätte.
„Danke, es geht mir gut. Wenn Ihr mich aufstehen lässt, kann die Feier weitergehen.“
„Oh, das Fest ist in vollem Gange. Im Bankettsaal wird üppig gespeist und alle warten nur darauf, ihre Trinksprüche auf Euch loszulassen.“ Mit einem leisen Stöhnen erhob ich mich und schritt zwischen den beiden Männern in die Richtung, aus der viele laute Stimmen zu hören waren.
„Du passt gut auf Dich auf, nicht wahr?“ Ich fühlte die feuchten Lippen des Pastors an meinem Ohr, als er mir diese Worte zuflüsterte und ich musste an mir halten, um mir nicht in einer angewiderten Geste die Ohrmuschel trocken zu reiben.
„Wer sind Sie?“ Ich sah ihm eindringlich in die Augen, denn offensichtlich wollte er mir eine wichtige Botschaft zukommen lassen.
„Ich bin der Pastor, der Euch getraut hat – Ferdinand Tobler.“ mit diesen Worten verbeugte er sich und schritt bedächtig auf den Haupteingang zu, wo ihm ein livrierter Diener die Türe öffnete und hinter ihm auch wieder schloss. Erst als ich verblüfft die geschlossene Türe anstarrte, drangen seine letzten Worte in mein Bewusstsein: Ferdinand Tobler.
Fragend sah ich zu Robert empor, der nickte kaum merklich, was mich weiter verwirrte und steuerte uns beide in den Bankettsaal, wo gerade nach uns verlangt wurde, um die riesen grosse schön verzierte Hochzeitstorte anzuschneiden. Leider konnte ich davon nichts essen, da ich auf Mandeln allergisch war.
***
Wie zwei echte Frischvermählte zogen wir uns zeitig zurück. Was nun? Daran hatte ich gar nicht gedacht. Bestimmt müssten wir ab jetzt im selben Zimmer schlafen.
„Gehen wir auf meines oder auf Dein Zimmer?“ Ich sah fragend zu Robert hoch.
„Wir gehen auf unser Zimmer. Meine Sachen wurden bereits gestern hochgebracht, Deine sollten jetzt auch da sein.“
„Ach, deshalb war Dein Zimmer gestern leer.“ wurde mir mit einem Schlag klar. Völlig unnötig hatte ich mir deswegen Gedanken gemacht und mir schon die wildesten Szenarien ausgemalt.
„Du warst auf meinem Zimmer?“ die erhobene Augenbraue war inzwischen ein vertrauter Anblick.
„Ich habe den Zettel gelesen.“ Robert nickte nur und führte mich am zweiten Stockwerk, wo ich bisher gehaust hatte vorbei, in den dritten Stock.
„Hier oben sind wir völlig alleine und ungestört, wie es sich für ein frisch vermähltes Ehepaar gehört.“ Dies war offensichtlich das Stichwort für meinen Körper. Genau wie beim Kuss nach der Heiratszeremonie reagierte dieser, ohne dass ich es verhindern konnte: Ich errötete bis zu den Zehenspitzen. Das machte die Peinlichkeit für mich nur noch schlimmer. Hoffentlich hatte Robert es nicht gesehen. Sicherheitshalber senkte ich meinen Blick und sah zu Boden, wodurch ich jedoch meine Umgebung aus dem
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