Regency Reality-Show
von meinen dunklen Gedanken ab, die stets um Robert zu kreisen schienen. „Tontaubenschiessen? Ist das ein zeitgemässes Vergnügen?“ fragte ich ungläubig.
„Keine Ahnung, hier jedenfalls schon. Es werden bereits alle Vorbereitungen im Garten getroffen. Wahrscheinlich waren Tontauben einfacher aufzutreiben als Fasane. Willst Du nun ausreiten?“
Ich beeilte mich, um keine der kostbaren Minuten mit Flora zu verschenken.
***
Scott war toll. In seiner Obhut liess ich Flora gerne. Er hatte sich den Titel ‚Pferdeflüsterer‘ zu Recht gegeben. Unsere edlen Tiere liess er häufig auf die Koppel und es schien, dass meine Stute sich mit den anderen bestens verstand. Weil Scott für unsere fünf Pferde alleine zuständig war, hatte er dafür gesorgt, dass sie im Stall Boxen nebeneinander hatten und er verriet mir, dass die Fünf ein so enges Band geschlossen hatten, dass sie fast rund um die Uhr zusammen kommunizierten.
„Du bist glücklich hier. Nicht wahr, meine Schöne?“ Ich schmiegte mich an ihren Hals.
„Wir warten draussen.“ Die anderen schienen zu spüren, dass ich eine Minute mit Flora alleine brauchte und führten ihre Pferde ins Freie.
„Bist Du etwa verliebt?“ neckte ich meine stolze Araberstute. „Du weisst aber, dass wir hier nur unsere Ferien verbringen. Dann werden wir von all unseren neuen Freunden Abschied nehmen müssen. Aber etwas Gutes kann ich Dir schon jetzt verraten, wenn wir hier wegfahren, bekommst Du einen Platz in einem wunderschönen Stall. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass ein paar tolle Hengste zu Deinen Stallkumpels gehören. Du wirst immer nur die beste Pflege erfahren. Wie findest Du das?“ Flora wieherte – ob zustimmend oder ungeduldig, weil sie endlich zu den anderen wollte, hinterfragte ich besser nicht.
„Wohin reiten wir heute?“ wollte Morag wissen.
„Könnten wir nicht einen besonders grossen Ausritt machen, irgendwo in einem Landgasthof etwas essen und erst wieder heimkehren, wenn das Tontaubenschiessen vorbei ist?“ fragte ich spontan. Denn bei diesem schönen Wetter hätte ich keine Lust, den ganzen Nachmittag im Haus zu verbringen, nur weil Robert Angst um mich hatte, bei meinem Glück würde ich bestimmt von einer Kugel getroffen, wenn ich nur auf hundert Meter an ein Gewehr herankam.
Zu meiner grossen Freude fand meine Idee rundum Zustimmung mit einer kleinen Änderung. Grant lief schnell in die Küche und kam kurz darauf mit einem riesigen Picknickkorb zurück. Keiner von uns wusste, wo es einen Gasthof gab und ob wir in unseren altertümlichen Kleidern dort willkommen wären. Also wollten wir uns einen schönen Platz möglichst weit weg suchen und die Sonne geniessen.
Über zwei Stunden ritten wir, abwechselnd in Trab und Galopp, hauptsächlich aber im Schritt, damit wir uns dabei unterhalten konnten. Dann kamen wir auf eine fast kreisrunde Lichtung, auf der genau in der Mitte eine Feuerstelle stand.
„Das wirkt wie ein Ort, wo sich um Mitternacht die Hexen versammeln.“ schmunzelte ich.
„Nein, diesen Ort gab es bereits zu Ritterszeiten“, konterte Grant prompt, „hier wurden grosse Turniere abgehalten und in der Mitte des Platzes ganze Schweine über dem Feuer gegart.“
„Ihr habt ja keine Ahnung“, trumpfte Scott auf. „Das hier ist ein Nackt-Rodeoplatz. Erst müssen alle Teilnehmer ihre Kleider in das grosse Feuer in der Mitte werfen, und dann –“
„Möchtest Du einen Stier oder ein Wildpferd mit nacktem Hintern zureiten?“ fragte ich ungläubig, worauf alle lachten, weil wir uns Scott im Adamskostüm auf einem bockenden Bullen vorstellten.
Jeder erfand neue Geschichten, wie diese kreisrunde Lichtung entstanden sein könnte und welche Bewandtnis die Feuerstelle hatte. Unsere Fantasie reichte von den Höhlenbewohnern bis zu den Ausserirdischen, die diesen Ort als Landeplatz für ihre Raumschiffe nutzten. Selbst unsere lustigen Essensrunden im eigenen Wohnzimmer kamen nicht an diese vergnügte Stimmung heran. Wir alle schienen hier die Freiheit zu spüren und genossen es. Ich war mir keinesfalls sicher, dass wir nicht auch hier gefilmt wurden, denn bestimmt hatte der Sender eine Direktverbindung zu diversen Satelliten, aber schöner als auf dem Landsitz zwischen all dem regen Treiben war es zur Abwechslung allemal.
Als wir so vergnügt im Kreis um die kalte Feuerstelle sassen, beobachtete ich die anderen. Das war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Einer meiner Schauspiellehrer hatte mir einmal gesagt:
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