Regenwaelder - Tierparadiese unserer Erde
geworden. Eine solche Anpassung von Tieren durch Nachahmung von Gestalt, Farbe und Haltung eines Teils ihres Lebensraumes nennt man Mimese. Namen wie Stabheuschrecke, Wandelndes Blatt und Wandelnder Ast deuten schon darauf hin, dass diese Tiere bestimmte Teile von Pflanzen nachahmen.
Damit die Tarnung wirkt, muss die Farbe des Tiers zum jeweiligen Untergrund passen, auf dem es sich gerade aufhält. Für Tiere, die ihren Aufenthaltsort öfters wechseln, ist es überlebenswichtig, diese Übereinstimmung immer wieder neu herzustellen. Dabei haben sie zwei Möglichkeiten: Entweder sie passen sich farblich den natürlichen Gegebenheiten an, oder sie suchen einen Untergrund auf, der zu ihrer Farbe passt. Besonders im tropischen Regenwald, wo viele Pflanzenarten miteinander konkurrieren, finden Tiere viele Vorbilder in den mannigfaltigen Formen und Farben von Blättern und Wurzeln. Die Laubheuschrecken (Familie Tettigoniidae) sind Meister der vollkommenen Tarnung, denn ihre Gestalt ist nicht von der eines Laubblatts zu unterscheiden. Sogar Flechtenimitate und Fraßlöcher lassen sich auf den Flügeln erkennen. Ihre Partnersuche haben sie ebenfalls an diese Tarnung angepasst. Sie verzichten dabei auf jegliche optische Signale, die ja dem Aufgeben ihrer Tarnung gleichkommenwürden, und kommunizieren nur über Töne, die durch das Aneinanderreiben ihrer Flügel entstehen.
Ein weiteres Beispiel für Mimese ist das in Malaysia beheimatete Große Wandelnde Blatt (
Phyllium giganteum
), eine blattförmige Gespenstschrecke. Mit seinen Vorderflügeln und dem Hinterleib ahmt es eine Blattspreite nach. Auch die Beine sind flach und breit, so dass sie kleinen Blättchen gleichen. Manchmal haben die grün gefärbten Tiere zusätzlich braune Flecken, die wie vertrocknete Teile von Blättern wirken. So sind sie im Laub der Bäume perfekt getarnt. Bei Gefahr pendeln sie wie ein vom Wind bewegtes Blatt und täuschen so ihre Fressfeinde.
Neben der Mimese, der Anpassung an die Umgebung, gibt es noch weitere Methoden der Täuschung zum Schutz vor Feinden. Der gut getarnte Augenspinner (Familie Saturniidae) entfaltet bei Gefahr seine Flügel und schreckt mit einer Augenzeichnung seine Feinde ab. Die Imitation der Augen einer Schlange oder Zibetkatze verblüfft den Angreifer kurzfristig und verschafft dem Augenspinner eine Chance zur Flucht. Mit dieser Methode schützt er sich besonders erfolgreich vor Vögeln.
Nicht alle Tiere setzen diese Verkleidung nur zum Schutz vor Fressfeinden ein, denn für manche gehört Tarnung auch zu ihrer Jagdtechnik. Manche Krabbenspinnen beispielsweise falten ihre Beine so ein, dass sie einem Klecks Vogelkot ähneln. Versucht aber ein Schmetterling mit seinem Rüssel Salze aus den vermeintlichen Ausscheidungen zu ziehen, packen sie mit ihren Fangbeinen das Opfer und überwältigen es.
Original und Fälschung
Manche Tiere tarnen sich also durch Mimese, indem sie das Aussehen eines Blattes oder eines Zweiges annehmen, andere dagegen fahren bei ihrer Tarnung stärkere Geschütze auf. Sie ahmen Körpergestalt, Färbung und Verhalten eines Tieres nach, das aufgrund seiner Wehrhaftigkeit oder seines schlechten Geschmacks von Feinden verschmäht wird. Dieses als Mimikry bezeichnete Verhalten kann optischer oder akustischer Art sein. Beide beruhen auf demselben System, das aus Vorbild, Nachahmer und Signalempfänger besteht. Das Merkmal, das von einem Lebewesen imitiert wird, bezeichnet man als Signal und das Lebewesen, das auf das Signal reagiert, also getäuscht wird, ist der Signalempfänger. Damit der Nachahmer aus der Ähnlichkeit mit dem Vorbild einen Nutzen ziehen kann, ist es wichtig, dass alle drei Beteiligte – also Vorbild, Nachahmer und Signalempfänger – in ein und demselben Lebensraum leben. Die Schlüsselfigur ist dabei der Empfänger, der getäuscht werden soll.
Manche
Heliconia
-Falter – farbenprächtige Schmetterlinge aus dem Amazonasgebiet – demonstrieren ihre Giftigkeit auf drei Arten: durch Warnfarben, einen abschreckenden Geruch und einen auffällig langsamen Flugstil. Viele ungiftige Schmetterlinge kopieren diese Merkmale, führen dadurch ihre Feinde in die Irre und schützen sich so vor dem Gefressenwerden. Auch bei den in Nord- und Südamerika heimischen Korallenschlangen ist Mimikry weit verbreitet, allerdings in einer besonders komplizierten Form. Unter den mehr als 75 Arten, die sich auf zwei Familien verteilen, gibt es hochgiftige, wenig giftige und völlig harmlose Vertreter,
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