Regina schafft es doch
fehlte irgend etwas. In dem großen Südfenster müßten mehr Pflanzen stehen – viel, viel mehr! Und eine Vase mit Blumen auf dem Tisch, eine schöne Schale mit Früchten würden dem Raum mehr Leben verliehen haben – jene kleinen Zeichen, die von der Fürsorglichkeit und Umsicht und liebevollen Hand einer Frau erzählt hätten. Ja, hier fehlte die Atmosphäre einer Hausfrau.
Mit einem Male schoß Regina die Röte in die Wangen. Saß sie etwa da und nahm sich einen Vorschuß – auf einen Gedanken, einen Traum, einen Wunsch für die Zukunft?
Da ging die Tür auf.
„Guten Abend, guten Abend, Fräulein Frank. Wie nett, daß Sie gekommen sind! Aha, Sie haben also schon mit Bonnie Freundschaft geschlossen. Das ist ja großartig. Bonnie ist nämlich eine wählerische Dame, sie freundet sich nicht so ohne weiteres mit jedem an! Gert sagte mir, Sie hätten die Entwürfe schon fertig? Ich glaube tatsächlich, Sie können hexen!“
Eimer hielt Reginas Hand fest.
„Nein, hexen kann ich bestimmt nicht, Herr Eimer, aber diese Aufgabe fesselt mich, und dann kommen die Einfälle leicht – ich habe von morgens bis abends gezeichnet!“
„Das gefällt mir! Wir Eimers gehören selber zu den Leuten, die alles so schnell wie möglich von der Hand haben müssen, wir hassen es, etwas auf die lange Bank zu schieben.“
„Ja, das hat Regina gewiß auch schon entdeckt!“ lächelte Gert.
„Junger Mann, mir scheint, du nimmst dir allerlei Freiheiten heraus – hat dir einer erlaubt, Fräulein Frank beim Vornamen zu nennen?“
„Aber ja. Nicht wahr, Regina, das hast du doch getan?“
Eimer sah vom einen auf den anderen. Zwei Paar Augen glänzten. Eine feine Röte breitete sich auf zwei jungen Gesichtern aus.
Der Vater lächelte. Um seine Augen erschien ein ganzes Netz fröhlicher kleiner Lachfalten.
„Soso, aha“, sagte er trocken. „Du scheinst wirklich meine hervorstechendsten Eigenschaften geerbt zu haben, mein Junge, und nie etwas auf die lange Bank zu schieben!“
„Fein, daß du mich verstehst, Papa“, lachte Gert. „So, Regina, würdest du jetzt deine Zeichnungen auspacken?“
Das Geschäftliche war geregelt und in Ordnung. Regina sollte mit dem Modellieren anfangen, sobald sie könnte. Das Honorar, das Eimer senior ihr angeboten hatte, ließ sie vor Freude erglühen.
Dann hatten sie zu Abend gegessen, und jetzt saßen sie in dem gemütlichen Herrenzimmer und tranken Kaffee.
„Wo haben Sie eigentlich studiert, Fräulein Frank?“ fragte der Vater.
„In Kopenhagen, auf der Kunstakademie!“
„In Kopenhagen? Ist die Akademie dort besser als unsere deutschen Kunsthochschulen?“
„Das weiß ich nicht. Aber ich hatte etwas Geld von einer dänischen Tante geerbt – ja, ich hatte nämlich eine dänische Mutter – und da war es für mich ja sehr praktisch, das Geld drüben für die Ausbildung zu verwenden. Außerdem kann ich ganz gut dänisch sprechen.“
„Du Glückspilz!“ sagte Gert. „Kannst du mir dann nicht sagen, was ‚Kopenhagener Gebäck’ auf dänisch heißt – und Berliner Pfannkuchen und Mohnbrötchen und Semmeln?“
„Weshalb willst du das wissen?“ lächelte Regina.
„Weil ich aller Wahrscheinlichkeit nach im Herbst nach Kopenhagen gehe.“
„Gert hat nämlich seine ,Wanderjahre’ noch nicht hinter sich“, warf der Vater ein. „Sie wissen wohl, daß er mit der Bäckerei etwas spät angefangen hat. Und wandern muß er – das heißt, nicht gerade wandern, aber in die Welt soll er hinaus, bevor er sich hier als Bäckermeister niederläßt mit Haus und Frau und Kind!“
„Ich dachte, das mit den ,Wanderjahren’ wurde abgeschafft“, sagte Regina.
„Nicht bei uns. In unserer Bäckerfamilie ist das seit vielen Generationen so gehalten worden, wissen Sie. Wenn der älteste Sohn seine Gesellenprüfung gemacht hat, mußte er in die Welt hinaus! Nach Kopenhagen und Kopenhagener Gebäck studieren, nach Paris…“
„… und Pariser Brot backen?“ lächelte Regina.
„Ja, und in die Schweiz und ,Kräpfli’ backen lernen – und natürlich nach Österreich und Linzer Torte und Sachertorte backen.“
„Nach Österreich“, wiederholte Regina. „Jetzt muß ich ,Glückspilz’ sagen!“
„Möchtest du gern nach Österreich?“
„Ja, nach Wien! Dort wohnt nämlich der beste Lehrer der Welt, mein guter alter Professor aus Kopenhagen. Er war einige Jahre dort tätig, aber er ist Ur-Wiener, und jetzt ist er in seine Geburtsstadt zurückgekehrt und gibt Privatunterricht.
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