Regina schafft es doch
und sagt, es sei ein Original, und eins, zwei, drei, läßt er’s kopieren! Na, der kriegt das aber von mir zu hören! Wenn ich ihn wiedersehe, meine ich. Er ist gestern für längere Zeit nach Dänemark gegangen. Ich habe ihn gesprochen, kurz ehe er abreiste…“
Den Rest konnte Regina nicht mehr erfassen. Sie hörte Worte, viele Worte wie ein fernes Summen. Ihr Gesicht war totenblaß geworden.
Katrin winkte der Kellnerin und zahlte. Dann legte sie behutsam ihre Hand auf die von Regina.
„Komm, Regina!“
Draußen auf der Straße hakte sie sich bei der Freundin unter. Regina bewegte sich so seltsam marionettenhaft. Katrin warf einen schnellen Blick auf sie. Dann winkte sie ein Taxi heran. Regina ließ alles mit sich geschehen. Sie sprach kein Wort, bis sie oben im Atelier waren.
„Katrin. Er hat mich angelogen!“
„Setz dich mal erst, Regina. Hier hast du eine Zigarette. Versuche nun, dich zu beruhigen. Wir wollen die Dinge einmal durchdenken, bevor wir verdammen!“
„Er hat gelogen! Katrin! Er hat gesagt, die Figur wäre entzweigegangen.“
„Ja, Regina, aber du weißt nicht, weshalb er gelogen hat – vielleicht, weil…“
„Erinnerst du dich – erinnerst du dich, daß du mich fragtest, ob ich den jungen Eimer kennengelernt hätte? Der so viel mit Annette Krüger zusammen wäre?“
„Ja, Regina – aber ich hatte geglaubt, das wäre seit langem zu Ende…“
„Das glaubte ich auch. Aber du hörtest doch: er hat erst gestern mit ihr gesprochen. Katrin, es ist nicht zu Ende – es ist nicht zu Ende – , und sie hat mein ,Schlafendes Kind’. Und Gert hat gelogen – gelogen!“
Katrin strich ihr sacht übers Haar. Sie kannte Regina. Sie wußte, was eine Lüge für sie bedeutete. Sie kannte Reginas unerbittlichen Anspruch auf Wahrheit.
„Regina, hör mal zu! Ich möchte versuchen, etwas für dich zu tun. Ich kann leicht einen Vorwand finden, um Frau Krüger zu besuchen. Sie ist im Sanitätsverein, und ich kann irgendeine Bestellung bei ihr machen für Mami. Dann sperre ich meine Augen auf. Ja, ich werde mich hüten, nach dem ,Schlafenden Kind’ zu fragen, ich werde schon irgend etwas finden, daß es nicht auffällig wirkt.“
„Was willst du mit all dem erreichen, Katrin?“
„Ich will ‘rauskriegen, ob Annette die Wahrheit gesagt hat. Ich will wissen, ob es vielleicht nicht ein anderes ,Schlafendes Kind’ ist. Ich will es mit meinen eigenen Augen sehen. Soll ich das tun, Regina?“
Regina richtete den Blick auf die Freundin. Ihre Augen waren schwarz und abgrundtief, sie waren voller Leid.
„Ja, danke, Katrin!“
Es war Abend.
Regina saß zusammengekauert auf der Couch.
Gert hatte gestern mit Annette gesprochen. Kein Wunder, daß er zu ihr, Regina, erst gegen halb acht Uhr kam. So viel zu tun – ja sicher hatte er das!
Mit einem Male war es ihr, als hörte sie seine Stimme dicht an ihrem Ohr – hörte die Worte, die er ihr vor vierundzwanzig Stunden zugeflüstert hatte.
„Diese Zeit mit dir ist so schön gewesen – und ich danke dir dafür…“
Abschiedsworte.
„Ich bin nicht tüchtig im Briefschreiben – aber ein paar Worte werde ich schon noch zusammenkriegen…“
O ja, es dürfte wohl auch schwierig sein, an zwei Frauen auf einmal liebevoll zu schreiben!
Und sein Ausdruck gestern, als er von der Lüge sprach, von einer kleinen, weißen Lüge!
Weiße Lüge! Weiße Lüge! Diese Lüge war auf jeden Fall nicht weiß. Sie war so schwarz, wie eine Lüge nur sein konnte.
Und die Gedanken kreisten und kreisten in Reginas Hirn. Die Stunden verrannen, und sie merkte nicht, daß es Nacht geworden war.
Schließlich schlief sie vor Erschöpfung ein, auf der Couch zusammengerollt und voll angekleidet. Sie erwachte bei Sonnenaufgang, weil es sie fror.
Am späten Vormittag kam Katrin. Ihr Gesicht war blaß und ernst. Regina schaute sie an, dann nickte sie, langsam. Sie verstand.
„Ich sehe es dir an, Katrin. Du bist bei Krügers gewesen.“
„Ja, Regina!“
„Ja, und…“
„Du weißt es ja. Du begreifst es ja. Ich brauchte keine Detektivkünste anzuwenden. Die Hausangestellte führte mich ins Wohnzimmer und dort…“
„… dort stand auf der Kommode das ,Schlafende Kind’.“
„Ja, Regina. Ich war einige Minuten allein im Zimmer und wartete auf Frau Krüger. Und ich ging ganz dicht heran, und – und – ja, da ist kein Zweifel möglich.“
„Ich danke dir, daß du das getan hast, Katrin.“
„Du brauchst dich nicht zu bedanken, Regina. Ich weiß
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