Regina schafft es doch
gehorchte. Dann legte sie sich auf das Kissen zurück.
„Du bist so lieb, Katrin!“
„Solche muß es ja auch geben. Mach die Augen zu, Regina.“
Katrin hängte ein seidenes Tuch über die Nachttischlampe, setzte sich still hin und nahm Reginas Hand. Das kleine Gesicht auf dem Kissen war kreideweiß, versteinert und ohne Tränen.
Katrin blieb reglos sitzen, bis gleichmäßige Atemzüge anzeigten, daß Regina eingeschlafen war.
Sie erwachte von einem fernen Getöse. Ihr Körper war schwer wie Blei, und es kostete sie Mühe, sich selbst aus dem Schlaf heraufzuholen.
Endlich konnte sie die Augen öffnen. Was war geschehen – und warum lag sie in Katrins Bett –, was war nur Schreckliches passiert – etwas so Schreckliches, daß sie sich sträubte, wach zu werden und zu denken…
Die Tür ging. Es war Katrin, die das Tablett mit dem Frühstück brachte. Mit einem Male war Regina hellwach und wußte wieder alles.
„Guten Morgen, Regina.“
Katrin setzte das Tablett aus der Hand und trat ans Bett. Sie strich der Freundin übers Haar.
„Hast du schlafen können?“
„Ja, Katrin. Ich – ich wußte gar nicht, wo ich war, als ich aufwachte.“
„Na also! Es war gut, daß du die Tablette genommen hast. Jetzt sollst du Kaffee trinken, Regina!“
Regina nahm gehorsam die Tasse entgegen.
„Bitte, iß auch was.“
„Ach Katrin – das kann ich nicht…“
„Versuch es trotzdem. Hör mal, Mami ist heute in der Stadt und zählt im Büro des Sanitätsvereins Fünfzigpfennigstücke zusammen und gibt neue Gewinnvorräte aus. Sie bleibt den ganzen Tag drinnen. Und nun gondele ich auch in die Stadt, bin aber bald wieder zurück. Du kannst tun, was du willst. Bleib im Bett oder steh auf, dreh das Radio an oder geh in die Werkstatt hinunter und kritisiere meine letzten himbeerfarbenen Machwerke, bis kein Fetzen Gutes mehr an ihnen ist.“
„Mußt du in die Stadt, Katrin?“
„Leider ja. Aber ich bin so schnell wie möglich wieder hier. Also Regina, mach es dir gemütlich. Ich laufe jetzt los, dann kriege ich den Zug um neun Uhr dreißig noch.“
Regina trank ihren Kaffee und zwang sich, eine halbe Semmel hinunterzuwürgen. Sie badete, zog sich an und räumte das Zimmer auf. Dann ging sie nach unten und lief von der Küche ins Wohnzimmer, vom Wohnzimmer in die Küche, setzte sich hin und stand wieder auf. Ihre Gedanken drehten sich in ihrem Kopfe wie ein Mühlrad immer wieder rundherum.
Sie ging in die Werkstatt hinunter. Die war leer.
Regina setzte sich auf Katrins Arbeitsplatz. Fast unbewußt spielten ihre Hände mit einem Tonklumpen. Ihre Finger arbeiteten. Nach und nach wurden ihre Gedanken von der Arbeit in Anspruch genommen. Sie modellierte einen kleinen Bären. Einen winzig kleinen, rundlichen, jungen Bären, und sie preßte ihn flach, genauso, wie Katrin es mit ihrem Schmuck machte.
Wieder ein Klumpen Ton. Ein neues Tier. Ein Fuchs. Ein langgestreckter Fuchsleib mit buschiger Lunte. Ein Fuchs, der auf Raub ist. Ihre Finger arbeiteten schnell und geübt.
Mehr Ton. Ach, wie war es herrlich, zu arbeiten! Herrlich, wenn man etwas zu tun hatte. Wenn man nur an den Ton dachte, an die Formen, an die Tiere; jetzt wollte sie eine kleine Figur machen, nicht diese hirnverbrannten, plattgedrückten Dinger – ein Tier mit richtigen Proportionen. Sie arbeitete so schnell, wie sie es als Kind getan hatte, wenn sie mit Plastilin spielen durfte.
Ein Hund. Ein schlankes Windspiel, wie sie es gestern auf der Straße beobachtet hatte. Gestern? War es gestern gewesen oder war es hundert Jahre her? Sie machte ihn klein, winzig klein, machte die feinste, zarteste Miniatur.
Da ging die Tür. „Hier sitzt du, Regina – pfuschst du mir etwa ins Handwerk?“
„Ich muß arbeiten, Katrin. Ich muß was tun. Ich muß mich beschäftigen, damit meine Gedanken zur Ruhe kommen.“
„Ich mach’ uns jetzt ein bißchen was zum Mittag, Regina.“
„Ich habe keinen Hunger.“
„Du mußt trotzdem was essen.“
„Ach, Katrin – du gutes Mädel.“ Plötzlich stand Regina auf, ging im Zimmer auf und ab, auf und ab. Dann blieb sie vor Katrin stehen.
„Ist es nicht eine verteufelte Sache, daß man nicht weinen kann?“
Katrin zuckte zusammen. Sie hatte bei Regina noch nie solche Kraftausdrücke gehört. Und noch nie diese harte, kalte Stimme.
„Höre mal, Regina. Gestern sagtest du, es sei für immer zu Ende. Das verstehe ich.“
Regina nickte.
„Ja, gewiß, ich weiß, was du sagen willst – dann soll ich es auch
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