Regina schafft es doch
konnte jetzt nicht in dieser Umgebung sein.
Sie stieg automatisch an der richtigen Station aus. Die Hände in den Taschen vergraben, schlug sie den bekannten Weg zu Katrins kleinem Haus ein. In der Werkstatt im Keller waren die Fenster erleuchtet. Regina ging gleich nach unten.
„Aber um Gottes willen – bist du das, Regina?“ – Katrin schlug die Ofentür zu und ging der Freundin entgegen. „Was ist denn, Regina – wie siehst du aus – , ist irgend etwas passiert?“
Regina wollte etwas sagen, aber es kam kein Ton heraus.
„Um Gottes willen, Regina, was ist nur?“
Dann sagte Regina mühsam, als koste es sie übermenschliche Anstrengung, die Worte zu formen: „Laß mich bei dir bleiben.“
„Ja, selbstredend, Regina – komm, wir gehen nach oben, Mami ist schon im Bett, wir sind ganz für uns allein.“
Sie legte den Arm um Regina und führte sie mit sich durch die Werkstatt und die Treppe hinauf.
„Regina – versuche zu sprechen. Versuche zu erzählen. Es ist doch wohl nicht nur das – was ich schon weiß?“
„Nein. Das ist es nicht!“
Es war ein fast unhörbares Flüstern.
Katrin blieb hilflos stehen. Die fröhliche, muntere, gutherzige Katrin hatte keinerlei Erfahrung, wenn sie tiefunglückliche Menschen vor sich hatte. Und Regina war ganz unten angelangt, soviel war ihr klar.
„Katrin, gib mir bitte eine Zigarette!“
Regina rauchte in langen Zügen, hastig. Die Hand, die die Zigarette hielt, bebte. Mit einem Male drückte sie sie im Aschenbecher aus.
Sie richtete die Augen auf Katrin, und die waren ein Meer von Qual.
„Katrin“, die Stimme klang jetzt laut und klar, aber sie hatte einen fremden, schneidenden Ton. „Es ist alles vorbei. Schluß! Schluß für immer!“
„Aber Regina – arme, arme, liebe kleine Regina!“
Katrin nahm Reginas Hand in ihre beiden.
„So, Regina, erzähle! Erzähle mir alles. Du erstickst, wenn du dich jetzt nicht aussprichst!“
„Katrin – es war furchtbar, als ich entdeckte, daß Gert mich angelogen hatte. Aber es war nichts, hörst du, es war nichts, es war eine Lächerlichkeit gegen das andere – daß er sein Ehrenwort gebrochen hat! Ja, Katrin! Er hat geschrieben, daß das ,Schlafende Kind’ entzweigegangen sei – er hat mir sein Ehrenwort darauf gegeben und gesagt, das sei so wahr wie seine Liebe zu mir! Und du weißt ja doch, daß du bei Krügers mein ,Schlafendes Kind’ gesehen hast.“
„Ja, Regina.“ Katrins Stimme klang leise und belegt. „Ja, Regina, darauf kann ich dir mein Ehrenwort geben.“
„Und dein Ehrenwort hat etwas zu bedeuten. Auf dein Ehrenwort verlasse ich mich. Ach, Katrin, verstehst du denn, daß alles, all das Gute, was ich mit Gert zusammen erlebt habe – daß das jetzt wie eine einzige Lüge vor mir steht?“
Katrin wollte etwas antworten, aber Regina fuhr fort, fiebrig, mit trockenen Lippen.
„Es geht ja nicht darum, daß es sich um eine meiner Arbeiten handelt. Das ist nicht wichtig. Aber daß ein Mann sein Ehrenwort brechen kann, Katrin! Und wenn es sich um ein Stück Papier gehandelt hätte, eine Stecknadel – oder ein Gemälde von Rembrandt – , das würde gar nichts ändern. Aber die Unwahrheit! Und daß der Mann, der mir alles bedeutete, unehrenhaft ist! Schlechthin unehrenhaft, Katrin!“
Regina feuchtete sich die Lippen an, dann sprach sie weiter, heiser und überstürzt: „Warum sollte ich nicht erfahren, daß Annette diese Figur bekommen hatte? Das verstehe ich jetzt! Weil es zwischen ihm und Annette keineswegs zu Ende war! Weil er mich als ein drolliges, kleines Spielzeug neben der schicken und schönen und reichen Annette haben wollte. Ach, alles war Lüge, Lüge, Lüge!“
Wieder wollte Katrin etwas sagen, besann sich aber. Regina hatte jetzt nur eins nötig: sie mußte schlafen!
„Regina, mein Liebes. Ich kann dir darauf keine Antwort geben, ich bin ebenso hilflos wie du. Aber jetzt wirst du ins Bett gebracht. Du bleibst natürlich heute nacht hier. Du kannst in meinem Bett schlafen, ich lege mich aufs Sofa. Komm jetzt, Regina!“
Katrin besorgte alles, holte Handtücher heraus und ein Nachthemd für Regina. „Und guck bloß, was du für ‘n Glück hast, ich habe gerade eine funkelnagelneue Zahnbürste liegen!“
Als sie Regina ins Bett gesteckt hatte, kam sie mit einem Glas Wasser und einer weißen Tablette.
„Schau her, Regina. Nimm dies.“
„Eine Schlaftablette?“
„Ja. Hab’ ich aus Mamis Vorrat. Eins, zwei, drei, ‘runter damit, Regina.“
Regina
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